
Nanofiltration aus dem MIT steigert CO₂-Abscheidung um Faktor 6
Gezielte Ionen-Separation löst Effizienzproblem in CO₂-Capture-Systemen und senkt Kosten deutlich
Ein Forschungsteam des Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat einen innovativen Ansatz zur CO₂-Abscheidung vorgestellt: Durch gezielte Trennung von Hydroxid- und Carbonat-Ionen mittels Nanofiltration wird ein bisheriger Flaschenhals im Prozess überwunden. Die Folge: Die Effizienz steigt um den Faktor 6, die Kosten sinken um mindestens 20 Prozent – ein entscheidender Schritt, um CO₂-Abscheidung schnell und in großem Maßstab als Baustein für unvermeidbare Negativemissionen nutzbar zu machen. Darüber berichtet MIT News.
Mit dem wachsenden Bedarf an industrieller CO₂-Abscheidung gewinnen Technologien an Bedeutung, die skalierbar und wirtschaftlich tragfähig sind. Genau hier setzt die neue Studie des MIT an, die am 20. Mai 2025 in der Fachzeitschrift ACS Energy Letters erschienen ist. Die Arbeit von Simon Rufer, Tal Joseph, Zara Aamer und Prof. Kripa K. Varanasi adressiert ein zentrales Problem bestehender CO₂-Capture-Systeme – insbesondere solcher auf Basis wässriger Hydroxidlösungen, wie sie etwa bei Carbon Clean oder Carbon Engineering zum Einsatz kommen: die ineffiziente Rückgewinnung von CO₂ aus diesen Lösungen.
Ionen-Separation als Effizienz-Booster
In konventionellen CO₂-Abscheidungsverfahren auf Hydroxidbasis bilden sich während der Absorption Carbonat- und Bicarbonat-Ionen, die nur schwer voneinander zu trennen sind. Das MIT-Team hat nun eine Nanofiltrationsmembran entwickelt, die diese Ionen effektiv separiert. Dadurch wird der CO₂-Rückgewinnungsprozess beschleunigt und der Energiebedarf für die elektrochemische Freisetzung deutlich reduziert.
Die Ergebnisse sind vielversprechend: Eine sechsfache Steigerung der CO₂-Absorptionsrate und eine gleichzeitige Effizienzsteigerung bei der elektrochemischen Regeneration der Absorptionslösung. Die Methode ermöglicht somit eine kompaktere, kosteneffizientere Umsetzung bestehender Capture-Systeme – im Vergleich zu herkömmlichen Systemen mit ähnlichem chemischem Aufbau, bei denen die Rückgewinnung deutlich langsamer und energieintensiver abläuft.
Anwendungsfälle in der Industrie denkbar
Besonders interessant ist der Ansatz der Nanofiltration für schwer zu dekarbonisierende Sektoren wie die Zement-, Stahl- und Chemieindustrie. Bestehende Anlagen könnten mit vergleichsweise geringem Aufwand nachgerüstet werden, da keine vollständig neuen chemischen Prozesse erforderlich sind. Auch Direct-Air-Capture-Anwendungen könnten von der verbesserten Ionentrennung profitieren.
Besonders relevant wäre dies für große DAC-Anlagen wie STRATOS, die von Carbon Engineering gemeinsam mit 1PointFive in Texas geplante DAC-Anlage, die Mitte 2026 in Betrieb gehen und in der Endausbaustufe bis zu 500.000 Tonnen CO₂ pro Jahr abscheiden soll. Eine verbesserte Absorptionsrate und effizientere Regeneration könnten hier die ursprünglich geplante Leistung deutlich erhöhen – laut Studienergebnissen potenziell um das Sechsfache der heutigen Rate –, also mehr CO₂ mit derselben Infrastruktur abscheiden und die Wirtschaftlichkeit der Anlage signifikant verbessern, sofern die Nanofiltration technisch integrierbar ist. – also mehr CO₂ mit derselben Infrastruktur abscheiden und die Wirtschaftlichkeit der Anlage signifikant verbessern, sofern die Nanofiltration technisch integrierbar ist.
Laut MIT News sind erste Industriekooperationen geplant. Eine Ausgründung zur Kommerzialisierung der Technologie ist denkbar, wurde aber bislang nicht offiziell bestätigt.
Marktpotenzial durch niedrigere Kosten
Der wirtschaftliche Hebel ist erheblich: Bei gleichbleibender CO₂-Abscheidungsleistung können die Betriebskosten um mindestens 20 Prozent gesenkt werden. Für eine Anlage wie STRATOS mit 500.000 Tonnen Jahreskapazität entspräche dies einer potenziellen Einsparung von mehreren Millionen US-Dollar pro Jahr – je nach Energiepreisniveau: Bei gleichbleibender CO₂-Abscheidungsleistung können die Betriebskosten um mindestens 20 Prozent gesenkt werden.
Damit könnte die Technologie ein Schlüssel zur wirtschaftlichen Skalierung von CCS-Systemen (Carbon Capture and Storage) werden, insbesondere in Schwellenländern oder Regionen mit hohen Energiekosten.
Politische Relevanz für Klimastrategien
Die Technologie passt in viele nationale und internationale Klimastrategien: Sei es im Rahmen des US-amerikanischen Inflation Reduction Acts – dessen Fortbestand allerdings unter der seit Januar 2025 laufenden zweiten Trump-Präsidentschaft ungewiss wäre, europäischer Innovationsförderung oder auch nationaler CCS-Fahrpläne.
Die gezielte Förderung von Technologien, die bestehende Systeme effizienter machen, ist ein vielfach geforderter Hebel zur Emissionsminderung – auch wenn unter der aktuellen US-Regierung Projekte im Rahmen des Inflation Reduction Acts politisch unter Druck geraten, wie jüngste Berichte etwa von Bloomberg und der New York Times zeigen.
Wissenschaftliche Verankerung und Rezeption
Die Originalstudie mit dem Titel „Carbonate/Hydroxide Separation Boosts CO₂ Absorption Rate and Electrochemical Release Efficiency“ wurde in ACS Energy Letters veröffentlicht. Die begleitende Berichterstattung des MIT hebt die Bedeutung der Ionen-Separation als zentralen Fortschritt für die gesamte CO₂-Abscheidetechnologie hervor.
Die Reaktionen in Fachnetzwerken wie LinkedIn und Reddit deuten auf ein hohes Interesse an praktischen Umsetzungsstrategien und Pilotprojekten hin. In einem viel beachteten LinkedIn-Kommentar bezeichnete ein Carbon-Capture-Experte die Studie als ‚entscheidenden Fortschritt für die Praxistauglichkeit chemiebasierter DAC-Anlagen‘.
Fazit: Baustein für die saubere Industrie 2050
Die vorgestellte Nanofiltrationstechnologie des MIT ist ein Beispiel für hochwirksame Optimierungen innerhalb bestehender Verfahren. Sie ist technologisch plausibel, wirtschaftlich skalierbar und adressiert damit genau jene Hebel, die laut „Speed & Scale“ und anderen Transformationsstrategien für eine Netto-Null-Zukunft entscheidend sind – etwa durch die Erschließung zusätzlicher Negativemissionen in relevanter Größenordnung bis 2030 oder 2050.
Für unsere Leserinnen und Leser aus Industrie, Politik und Wissenschaft ist dabei besonders relevant: Die Technologie setzt auf bestehende Infrastrukturen auf und bietet somit eine realistische Perspektive für schnelle und großflächige Implementierung. Ob und wie schnell sie den Weg in industrielle Anwendungen findet, dürfte maßgeblich von strategischen Partnerschaften und politischen Rahmenbedingungen abhängen.
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Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.