Phenogy
Phenogy: Europas größter Natrium-Ionen-Speicher startet bei Bremen
Mit dem Batteriespeicher „Phenogy 1.0“ nimmt das Cleantech-Unternehmen Europas ersten großen Natrium-Ionen-Speicher in Betrieb
In unmittelbarer Nähe zum Flughafen Bremen hat das Schweizer Unternehmen Phenogy einen Meilenstein für die europäische Speichertechnologie gesetzt: Mit „Phenogy 1.0“ wurde der erste großtechnische Natrium-Ionen-Speicher Europas in Betrieb genommen. Die Anlage mit 400 Kilowatt Leistung und knapp einer Megawattstunde Kapazität ist nicht nur technologisch interessant, sondern Ausdruck einer strategischen Vision: Energiespeicherung soll nachhaltiger, sicherer und geopolitisch unabhängiger werden. Wer ist Phenogy, und welche Rolle kann das Unternehmen für die Energiewende spielen?
Technologie: Natrium statt Lithium
Die Entscheidung für Natrium-Ionen als Speichertechnologie ist mehr als ein technischer Kniff. Sie ist eine bewusste Abgrenzung vom derzeitigen Status Quo: Lithium-Ionen-Batterien dominieren den Markt, sind aber mit geopolitischen Abhängigkeiten, Umweltbelastungen und Preisvolatilität behaftet. Natrium hingegen ist weltweit verfügbar, kann aus verschiedenen Quellen wie Nussschalen oder Zellulose gewonnen werden und erlaubt eine regionalere, kreislauffähige Produktion.
Phenogy setzt auf ein luftgekühltes, sicheres Zell-Design mit hoher Temperaturtoleranz. Der Verzicht auf kritische Rohstoffe wie Kobalt oder Nickel macht das System besonders attraktiv für resiliente Infrastrukturprojekte.
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Anwendung: Speicher für dezentrale Energiesysteme
Phenogy 1.0 wurde auf einem Gewerbegrundstück in Bremen installiert und ist dort mit einer 50-kW-Photovoltaikanlage gekoppelt. Im Inselbetrieb versorgt das System Ladepunkte für E-Fahrzeuge und optimiert den Eigenverbrauch vor Ort. Dank acht Sunny Island X 50-Wechselrichtern von SMA – eigens für die Spannungsanforderungen von Natrium-Ionen-Batterien angepasst – gelingt die flexible Einbindung in lokale Systeme.
Die Anwendungsszenarien sind vielfältig: von Peak Shaving in Industrie und Gewerbe über Notstromversorgung kritischer Infrastruktur bis hin zur Einbindung in Microgrids und Ladeinfrastrukturen. Das Unternehmen zielt auf Energiemärkte, in denen Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit gleichermaßen gefragt sind.
Unternehmen: Vom Raketeningenieur zum Speicherpionier
Hinter Phenogy steht Peter E. Braun, ein ehemaliger Luft- und Raumfahrtingenieur, der nach Stationen bei Airbus und Daimler den Sprung in die Unternehmerwelt wagte. Nach der Gründung und dem Verkauf eines Telematik-Startups entwickelte er gemeinsam mit BASF und dem MIT eine erste intelligente Batterie.
Mit der Gründung im Jahr 2019 in der Schweiz und weiteren Standorten in Deutschland und den USA verfolgt Braun eine klare Mission: die Entwicklung nachhaltiger Speicherlösungen für eine dezentralisierte Energiewelt. Phenogy versteht sich als vertikal integriertes Unternehmen – von der Materialentwicklung bis zur Systemintegration. Aktuell beschäftigt die Firma rund 60 Mitarbeitende.
Markt & Vision: Lokale Wertschöpfung statt globaler Abhängigkeit
Während China bei Natrium-Ionen-Technologien bereits mit Großprojekten im 100-MW-Maßstab vorangeht, steht Europa noch am Anfang. Das Schweizer Startup aus dem Cleantech-Sektor sieht darin keine Schwäche, sondern eine Chance: Ziel ist der Aufbau lokaler Lieferketten für Kathoden- und Anodenmaterialien. Besonders der Einsatz von Hartkohlenstoff aus landwirtschaftlichen Abfällen ist ein Hebel für Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung.
„Unsere Idee ist es, Lithium-Anwendungen langfristig durch Natrium zu ersetzen“, sagt CTO Dr. Max Kory. Auch wenn die Technologie aktuell noch teurer als LFP-Systeme sei, sehen viele Kunden den strategischen Vorteil in Unabhängigkeit und Sicherheit.
Phenogy als europäisches Speicher-Start-up mit systemischer Relevanz
Mit dem Start des Speichers der Version 1.0 in Bremen betritt ein ambitioniertes Unternehmen die europäische Speicherbühne. Die Kombination aus technologischer Eigenständigkeit, Kreislaufdenken und geopolitischem Weitblick macht das Cleantech-Unternehmen zu einem relevanten Akteur der Energiewende.
Ob das Unternehmen seine Vision einer vertikal integrierten Produktion tatsächlich umsetzen kann, bleibt abzuwarten. Der Ansatz ist vielversprechend – gerade mit Blick auf Speed & Scale der globalen Speicherbedarfe.