Werbung

Industriestrompreis: Vier Milliarden für Stromsubventionen?

Merz und Reiche wollen vor allem KI-Rechenzentren oder die Glasindustrie mit dem Industriestrompreis subventionieren.

Die Merz-Regierung will mit vier Milliarden Euro die Strompreise für Industrie und Rechenzentren senken – während Verbraucher leer ausgehen. Katherina Reiche arbeitet laut Financial Times an einem entsprechenden Plan für einen Industriestrompreis für mehrere Tausend energieintensive Unternehmen. Eine Analyse der politischen Schieflage.

Die Bundeswirtschaftsministerin plant laut dem Bericht der Financial Times und Informationen von Golem.de, den Kreis der Unternehmen, die Anspruch auf staatliche Strompreis-Subventionen haben, drastisch zu erweitern: von 350 auf 2.200 Unternehmen.

Die Maßnahme soll über drei Jahre hinweg bis zu 50 Prozent der Stromkosten für energieintensive Branchen wie Chemie, Glas, Kunststoffindustrie und Rechenzentren abdecken. Die geschätzten Gesamtkosten belaufen sich auf rund vier Milliarden Euro.

Rechenzentren als Profiteure

Besonders profitieren sollen Betreiber von Rechenzentren, die als Grundlage für KI-Anwendungen und Cloud-Dienste eine immer wichtigere Rolle einnehmen. Tim Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom, hatte im April 2025 gefordert: „Für KI und Rechenzentren brauchen wir vor allem eins: Enorm viel günstigen Strom.“

Die geplante Subventionierung scheint dieser Forderung nun Rechnung zu tragen. Laut einer aktuellen Studie von Deloitte muss sich die Rechenzentrumsleistung in Deutschland bis 2030 verdreifachen, was eine große Investitionslücke entstehen lässt.

Subventionen könnten hier eine Beschleunigung bringen.

Kein Strompreisdeckel für Verbraucher

Der politische Zeitpunkt ist bemerkenswert: Nur eine Woche zuvor hatte die Bundesregierung beschlossen, auf die Abschaffung der Stromsteuer für Privathaushalte zu verzichten – eine Maßnahme, die laut Schätzungen rund 5,4 Milliarden Euro jährlich gekostet hätte.

Die Kombination aus beiden Entscheidungen zeigt eine klare Priorisierung: Industrie vor Verbraucherschutz. Schon im Dezember 2024 zahlten Industrieunternehmen im Schnitt 58,5 Prozent weniger für Strom als Privathaushalte. Die geplante Subventionierung zementiert diese Unwucht weiter.

Energiepolitik in der Schieflage

Die Maßnahme wird mit Standortpolitik begründet. Deutschland leidet unter hohen Energiepreisen, unter anderem wegen des Atomausstiegs und der Abkehr von russischem Gas. Doch statt systemische Lösungen wie eine entschlossene Energiewende voranzutreiben, setzt die Regierung Merz auf kurzsichtige Hilfen für Großverbraucher.

Eine faire Industriepolitik müsste an klare Bedingungen geknüpft sein: Nur Unternehmen, die in Erneuerbare Energien investieren und ihre Abwärme etwa für Fernwärme oder vertikale Farmen zur Verfügung stellen, sollten von den Subventionen profitieren.

Auch die EU-Kommission wünscht sich laut Financial Times, dass staatliche Beihilfen mit Dekarbonisierungszielen verknüpft werden. Gerade im Rechenzentrumsbereich gibt es nachhaltige Alternativen, wie z.B. das Unternehmen GARBE.DC zeigt.

Politische Einordnung

Der Vorstoß zeigt ein zentrales Dilemma der aktuellen Bundesregierung: Unter dem Druck wirtschaftlicher Stagnation und EU-Vorgaben sucht man nach schnellen Lösungen. Doch diese gehen zulasten von Haushalten, sozialer Gerechtigkeit und einer integrierten Energiewende. Die CDU setzt auf Industriepolitik mit marktfremden Eingriffen, ohne langfristige Nachhaltigkeit sicherzustellen.

Sollte die EU-Kommission die Beihilfen genehmigen, droht zudem ein weiterer Verstoß gegen die europäischen Fiskalregeln. Der Bundeshaushalt ist schon jetzt überlastet, mit einem erwarteten Defizit von 82 Milliarden Euro im Jahr 2025.

Fazit: Priorisierung mit Schlagseite

Die geplante Strompreissubvention für Industrie und Rechenzentren ist industriepolitisch nachvollziehbar – aber sozialpolitisch fragwürdig. Ohne Bedingungen für Klimaschutz und Energieeffizienz riskiert die Bundesregierung eine zementierte Schieflage im Strommarkt.

Ein echter Aufbruch in Richtung Dekarbonisierung und eine „saubere Welt 2050“ sieht gänzlich anders aus. Es wirkt stattdessen wie der Versuch, ein kurzfristiges Strohfeuer zu entfachen. Eine Dauersubventionierung ohne strukturelle Verbesserungen ergibt allerdings wenig Sinn – ohne glasklaren Anspruch, die Transformation zu unterstützen, sollte die Maßnahme nicht möglich sein.

Lesen Sie auch: Fossil-CCS ist kein Klimaschutz


image 141

Buchtipp: KI Genesis: Der Beginn des neuen Zeitalters: Eine optimistische Perspektive für die nächsten Schritte der Menschheit (*Provision-Link)

In seinem letzten Buch erforscht Politik-Legende Henry Kissinger zusammen mit dem ehemaligen Google-CEO Eric Schmidt und dem früheren Microsoft-Topmanager Craig Mundie die epochalen Herausforderungen und Chancen der Revolution der künstlichen Intelligenz.

KI wird uns helfen, enorme Krisen zu bewältigen – vom Klimawandel über geo­poli­tische Konflikte bis hin zur Einkommensungleichheit. Aber sie bedroht auch unser unabhängiges Urteilsvermögen und unsere Handlungsfähigkeit.

Dieses Buch zeichnet einen Weg jenseits von blindem Glauben und ungerechtfertigter Angst und skizziert eine wirksame Strategie, um das Zeitalter der KI zu meistern.

dc02f102818a43af9b274715d880eaff