
Wie Solar und Wind die fossile Abhängigkeit verringern
Analyse von Ember zeigt, wie PV- und Windkraftanlagen die Importe von Öl, Gas und Kohle schon heute massiv reduzieren.
Drei Viertel der Weltbevölkerung leben in Ländern, die fossile Brennstoffe importieren – mit teils dramatischer Abhängigkeit von internationalen Energiemärkten. Neue Daten der Denkfabrik Ember zeigen nun, wie sehr Photovoltaik und Windkraft fossile Abhängigkeiten bereits reduzieren. Statt Öl, Gas oder Kohle zu importieren, erzeugen immer mehr Staaten ihren Strom aus eigenen Ressourcen. Was als klimapolitisches Ziel und Energiewende begann, wird so zum strategischen Hebel für mehr Kontrolle und Stabilität in der Energieversorgung.
Erneuerbare als Fundament für Versorgungssouveränität
Der Anteil der Weltbevölkerung, der in Ländern mit fossiler Netto-Importbilanz lebt, liegt laut Ember bei 74 Prozent (2022). Die fossile Abhängigkeit ist dabei oft strukturell: Japan deckt 87 Prozent seines Energiebedarfs durch fossile Importe, Korea 81 Prozent, Deutschland 67 Prozent. Nur wenige Staaten wie China (21 Prozent fossile Importquote) oder die USA (seit 2019 Nettoexporteur) konnten diese Quote deutlich reduzieren.
Doch was bislang als schicksalhafte Abhängigkeit galt, ist zunehmend gestaltbar. Denn Wind- und Solarenergie liefern heute schon Strom im Maßstab ganzer Volkswirtschaften – planbar, bezahlbar und heimisch erzeugt. Damit werden fossile Importe nicht nur ersetzbar, sondern wirtschaftlich unattraktiver.
Der Aufbau erneuerbarer Infrastruktur entwickelt sich zum strategischen Werkzeug, um politische und ökonomische Risiken aktiv zu verringern.

Wirtschaftlich sinnvoll: Einmal investieren statt dauerhaft importieren
Der strukturelle Vorteil erneuerbarer Energien zeigt sich auch auf finanzieller Ebene. Während fossile Brennstoffe dauerhaft beschafft werden müssen – und damit Jahr für Jahr teure Importkosten verursachen –, ist der wirtschaftliche Hebel bei Photovoltaik und Windkraft fundamental anders gelagert: Einmal investiert, liefern sie jahrzehntelang Energie.
Ember rechnet vor: Der Import eines Gigawatts Solarmodule kostet 100 Millionen US-Dollar. Bei typischer Auslastung erzeugen diese Module jährlich 1,5 Terawattstunden Strom. Die gleiche Menge Strom aus importiertem Gas herzustellen, kostet – je nach Marktpreis – ebenfalls rund 100 Millionen US-Dollar. Doch anders als bei Gas fällt diese Ausgabe bei Solar nur einmal an. Über die Lebensdauer der Solaranlage von 25 bis 30 Jahren entspricht das einer vollständigen Einsparung fossiler Importe im Gegenwert von bis zu drei Milliarden Dollar.
Fossile Brennstoffe sind wie Miete, Erneuerbare wie Eigentum.
Diese Rechnung bezieht sich allein auf die Module – weitere Kosten wie Installation, Netzanschluss und Speicherlösungen kommen hinzu. Doch die Tendenz ist klar: Die Investition in eigene Erzeugungskapazitäten ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch ökonomisch vorteilhaft – und reduziert strukturelle Importabhängigkeiten langfristig.
Solar- und Windstrom können bereits den globalen Benzinbedarf decken
Noch deutlicher wird die Bedeutung erneuerbarer Energien mit Blick auf den Verkehrssektor. Der weltweite Energiebedarf durch Benzin liegt laut IEA bei rund 14.000 Terawattstunden jährlich – bei einem Wirkungsgrad von etwa 24 Prozent in Verbrennungsmotoren. Die tatsächlich nutzbare Energiemenge beträgt also nur rund 3.370 Terawattstunden.
Im Jahr 2024 erzeugten Solar- und Windanlagen weltweit 4.625 Terawattstunden Strom – genug, um diesen Bedarf zu ersetzen, sofern die Energie elektrisch genutzt wird. Dank der höheren Effizienz von Elektrofahrzeugen (ca. 84 Prozent) wäre der Übergang technisch längst möglich. Die notwendige Elektrifizierung steht allerdings erst am Anfang: Die IEA prognostiziert, dass sich der Strombedarf von E-Fahrzeugen bis 2030 fast verzehnfachen wird.
Damit wird deutlich: Der Ausbau erneuerbarer Energien ersetzt nicht nur fossile Kraftwerke, sondern ermöglicht auch den Umstieg auf saubere Mobilität. Solar und Wind werden zu tragenden Säulen einer vollständig elektrifizierten Energiewirtschaft – und verringern so die fossile Abhängigkeit in mehreren Sektoren gleichzeitig.
Politische Relevanz: Erneuerbare als geopolitische Antwort
Energiepolitik war immer auch Außenpolitik. Die Abhängigkeit von fossilen Importen hat ganze Regionen verwundbar gemacht – ob durch Preisschocks, diplomatische Spannungen oder Lieferengpässe. Der Ukrainekrieg hat diese Verwundbarkeit in Europa offengelegt, während andere Regionen ebenfalls unter instabilen Märkten leiden.
Erneuerbare Energien verschieben dieses Machtgefüge. Wer Energie lokal erzeugt, macht sich unabhängig von geopolitischen Erpressungspotenzialen. Viele Länder erkennen diesen Hebel und investieren strategisch: nicht nur in Erzeugung, sondern auch in Netzstabilität, Speicher und Elektrifizierung ganzer Wertschöpfungsketten. Förderprogramme für PV und Wind sind deshalb mehr als Klimapolitik – sie sind Bausteine einer stabileren, widerstandsfähigeren Energiezukunft.
Fazit: Solar und Wind machen Energie wieder planbar
Die Analyse von Ember macht deutlich: Fossile Abhängigkeit verringern ist keine Zukunftsvision, sondern Realität – und ein zentrales Argument für den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien. Photovoltaik und Windkraft liefern nicht nur sauberen Strom, sondern entkoppeln Volkswirtschaften von geopolitisch riskanten Märkten. Sie machen Energie wieder planbar – ökonomisch, politisch und ökologisch.
Die Energiewende ist damit mehr als eine Umweltmaßnahme: Sie ist ein strategisches Modernisierungsprojekt. Wer heute in erneuerbare Technologien investiert, schafft nicht nur Klimaschutz, sondern echte Handlungsspielräume. Für eine resiliente, saubere und gerechte Welt im Jahr 2030 – und weit darüber hinaus.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.