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Habecks Versprechen: Daniel Wetzel und die dubiose Strompreis-Studie

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Strommarkt-Studie von e.venture überhöht den Strombedarf, um der Energiewende zu schaden.

Die Tageszeitung DIE WELT ist nicht für eine unkritische Haltung gegenüber der Energiewende bekannt. Zwar hängt es vom jeweiligen Autoren ab, wie sehr die Mammutaufgabe als unlösbar kalibriert wird – aber der Wirtschaftsredakteur Daniel Wetzel ist häufiger ganz vorne dabei als Kritiker. Mit seinem neuerlichen Artikel „Billiger Strom danke Sonne und Wind? Dieses Papier widerlegt Habecks Versprechen“ versucht der Springer-Journalist, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zu entlarven – mit einem überaus dubiosen Artikel.

Den Leser*innen von DIE WELT gefällt das: 1.793 Kommentare auf dem Online-Portal zeugen von Aktivität der rechtskonservativen Leser*innen-Community der großen und reichweitenstarken Tageszeitung. Habecks Versprechen zu „widerlegen“, verspricht Autor Daniel Wetzel. Dazu verwendet der Autor eine Studie mit dem Titel „Zukunft des deutschen Strommarktes“ die interessanterweise bereits im April 2023 erschienen ist.

Doch Wetzel konzentriert sich in seinem Artikel nicht etwa darauf, die Studienergebnisse zusammenzufassen, sondern vielmehr darauf, einen Großteil der Studien zur Energiewirtschaft zu diskreditieren:

In der Energiewirtschaft gibt es zwei Arten von Studien: Zum einen solche, die das politisch Wünschenswerte bestätigen und beruhigend wirken. Es sind Papiere, die oft im Regierungsauftrag
verfasst oder von finanzstarken Nichtregierungsorganisationen (NGO) aus der Ökoszene bezahlt werden.
Die Institute, die diese Studien erstellen, sind von Regierungsaufträgen oft ebenso abhängig wie von den Drittmitteln der Umwelt-Organisationen. Ihre Autoren verbannen zahlreiche Wenns und Aber ins Kleingedruckte, damit es die gewünschte Botschaft von den zahlreichen Vorteilen der ökologischen Energiewende in die Zusammenfassung des Textes schafft.

Und es gibt andere Studien, die von Experten ohne staatlichen Auftrag verfasst werden, weil sie als Grundlage für Beratertätigkeit dienen. Die Ergebnisse solcher Papiere bleiben unbekannt, weil sie ohne die mediale Power von Regierung und Klima-NGO kaum Chance auf Verbreitung haben.

Zurück zu Habecks Versprechen: Zu den „unabhängigen“ Studien, die Daniel Wetzel besonders gefallen, zählt auch die sieben (!) Monate alte Studie zur Zukunft des deutschen Strommarktes. Sie stammt e.venture consulting, einer Unternehmensberatung, die Teile der fossilen Energiewirtschaft berät: Mit E.ON, Vattenfall und innogy zählen drei der einst vier großen Energieversorger zu den Kunden von e.venture consulting und Geschäftsführer Florian Haslauer. Daneben auch der Gasversoger GASAG und der brandenburgische Energieversorger LEAG.

Gewöhnlich beschäftigt sich das Beratungsunternehmen laut eigener Darstellung eher mit Reorganisation, IT-Projektmanagement oder der Strategieentwicklung für seine Kunden. Doch eher ungewöhnlich ist, dass das Team um Haslauer eine energiewirtschaftliche Studie herausgibt. Der Österreicher Haslauer hat ein Studium in „Industrial Engineering“ vorzuweisen. Co-Autor Martin Selter ist Diplom-Kaufmann und Charlotte Schlage ist Physikerin. Energiewirtschaftliche Expertise? Nicht erkennbar. Dafür jede Menge Beratungskompetenz.

Die e.venture-Studie und ihre dubiosen Annahmen

Daniel Wetzel schreibt nun, Habecks Versprechen auf billige Elektrizität halte der Analyse „nicht stand“. Das Ergebnis der Studie sei „ernüchternd und politisch brisant.“ Haslauer würde demnach das Regierungsziel einer „Vollversorgung“ Deutschlands auf Basis von Wind- und Solarkraft bis 2035 in Zweifel ziehen. Dazu muss man wissen, dass es das Ziel der Regierung ist, dass der deutsche Strom „nahezu vollständig aus erneuerbaren Energien stammt“ im Jahr 2035. Eine Vollversorgung würde Wärme und Mobilität einschließen – hier wird also gezielt Verwirrung gestiftet.

„Selbst unter optimistischen Annahmen zum Ökostrom-Ausbau und unter Einbeziehung all der üblichen Speicher- und Flexibilitätsoptionen, mit denen Energiemarkt-Modellierer arbeiten“, würde es nicht reichen, so Wetzel. Interessanterweise bezieht sich das Zitat, das Wetzel verwendet, „ausschließlich“ auf Solar und Wind. Lösungen wie Biomasse, Wasserkraft, Pyrolyse, Geothermie, Kraft-Wärme-Kopplung werden allesamt unter den energiewirtschaftlichen Teppich gekehrt.

Daneben geht die e.venture-Studie, die angeblich Habecks Versprechen günstigen Stroms widerlegen soll, von überaus dubiosen Annahmen aus. Während also ein nicht unwesentlicher Teil erneuerbarer Energieerzeugung gänzlich ignoriert wird, wird der Strombedarf systematisch überschätzt.

Die kurios hohe Elektrolysekapazität

Ein Beispiel: Haslauer und die anderen Autoren kalkulieren mit einer „installierten Elektrolysekapazität“ von 70 Gigawatt bis ins Jahr 2040. Diese Zahl erscheint mehr als unrealistisch, weil die Bundesregierung auf Wasserstoff-Import setzt. Daneben erscheint es völlig unrealistisch, dass die Elektrolysekapazität von geplanten 10 Gigawatt im Jahr 2030 auf 70 Gigawatt im Jahr 2040 wächst.

Durch den überschätzten Bedarf an erneuerbarer Energieerzeugung für die Wasserstofferzeugung, ergeben sich in der Studie auch erheblich abweichende Größenordnungen für den Brutto-Strombedarf im Jahr 2040: Während e.venture von 940 Terawattstunden (TWh) in 2040 ausgeht, liegen Studien vom Ministerium (700 bis 750 TWh), des BDEW (800 TWh) und des Beirats für Umweltfragen (690 TWh) erheblich niedriger.

Habecks Versprechen Brutto-Strombedarf

Braucht es mehr Gaskraftwerke?

Daniel Wetzel beschreibt diese Abweichungen nicht, sondern zitiert die Studie nun wieder, wonach Gaskraftwerke in erheblich größerem Umfang gebraucht würden, und diese müssten auch in etwa 1.600 Stunden des Jahres laufen. 21 Gigawatt neue, zusätzliche und hochflexible Gaskraftwerke würden demnach nicht ausreichen. „Bis 2040 rechnen Haslauer und sein Team damit, dass 75 Gigawatt flexible Gaskraftwerke nötig sein werden, um die Schwankungen von Wind und Sonne auszugleichen.“

Aus diesen Analysen sowie der bewussten Kleinrechnung von Flexibilitäten im Stromnetz, resultiert das Fazit der Studie, das Wetzel genüsslich zelebriert: „Habeck hatte erklärt, dass ein subventionierter „Brückenstrompreis“ nur bis 2030 nötig sein werde, weil von da an Wind und Sonne für billigen Strom sorgen. Stimmen die Berechnungen Haslauers, hat Habecks Versprechen auf Billigstrom keine Grundlage.“

Das Fazit seiner Studie: „Die Strompreise werden im Jahresdurchschnitt 2040 bei 120 Euro pro Megawattstunde liegen, was in etwa dem Zweieinhalbfachen des Vorkrisenniveaus entspricht.“

Fazit: Habecks Versprechen und die Strompreis-Studie

Das Fazit fällt also ziemlich klar aus: Die Studie überhöht systematisch den zu erwartenden Strombedarf. Und daraus resultiert am Ende die Einschätzung, der dubios hohen Strompreise von 120 Euro pro Megawattstunde. Eine solche als Fakt dargestellte exakte Prognose ohne Spanne ist unwissenschaftlich und unseriös. All das passt zu den beschriebenen Kuriositäten, die der Studie zugrunde liegen. Habecks Versprechen billiger Elektrizität durch Erneuerbare Energien wird nicht ansatzweise widerlegt.

So wie die Studie etwa bei Edison Media kritisch kommentiert wurde, muss mit ihr auch umgegangen werden. Daniel Wetzel macht das nicht, sondern erzeugt daraus eine reißerische Springer-Geschichte. Ziel: Habeck und die Energiewende beschädigen. Damit sitzt er ganz offenbar mit den Autoren in einem Boot, deren Studie, würde man sie unkritisch ernst nehmen, zu dem Bau viel größerer Gaskraftwerks-Kapazitäten führen würde – und rein zufällig, zählen mehrere Kunden der „unabhängigen“ Unternehmensberatung zu potenziellen Nutznießern.

Lesen Sie auch: Energiewende-Befreiungsschlag: 15 Mrd. für Siemens Energy (cleanthinking.de)

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Quelle BDEW Umweltrat e.venture
% S Kommentare
  1. Michael Dahmen sagt

    Hallo,
    in der Fraunhofer Studie “ WEGE ZU EINEM KLIMANEUTRALEN
    ENERGIESYSTEM 2050″ wird der Strombedarf für verschieden Szenarien abgeschätzt. Für 2040 gehen die Fraunhofer Forscher von einem Bedarf zwischen 1000-1200 TWh aus. Für 2050 prognostizieren sie einen Bedarf zwischen 1250-1570 TWh. Bei der installierten Leistung von Elektrolyseuren im Jahr 2050 gehen die Fraunhofer Forscher von einem Wert zwischen 50-120 GW aus (abhängig vom gewählten Szenario). Die in der Studie von e.venture consulting gemachten Annahmen scheinen mir vor diesem Hintergrund nicht „systematisch überhöht“.
    Viele Grüße
    Michael Dahmen

  2. Daniel sagt

    Sehr geehrter Herr Jendrischik,
    Ihr „ziemlich klares Fazit“, wonach die Studie systematisch den zu erwartenden Strombedarf überhöht, ist auch nur eine nicht widerlegte These. Eine Vorhersage der Energieblanzen für 2040 ist unmöglich und reine Spekulation – ebenso wie die Vorhersage des Wetters für den 23. Januar 2040. Es ist ja noch nicht einmal möglich, die Natgas- und WTI-Futurepreise für nächste Woche vorherzusagen. Insofern bewegen Sie sich sich auf dem selben Niveau wie Ihr Kollege Wetzel. Von Journalismus erwarte ich neutrale und belegte Inhalte, um mir selbst eine Meinung zu bilden.

    1. Martin Jendrischik sagt

      Hallo Daniel,

      ich habe sehr klar argumentiert, warum ich zu dem genannten Fazit komme. Eine Glaskugel habe ich dabei nicht verwendet.

      Viele Grüße,
      Martin Jendrischik

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