Methanol: Energieträger für die dritte industrielle Revolution
Erneuerbares Methanol hat Vorteile gegenüber grünem Wasserstoff.
Es ist eine Idee, die auf den Chemie-Nobelpreisträger von 1994 zurück geht. Der 2017 verstorbene George Andrew Olah hielt die Fokussierung auf eine Wasserstoff-Wirtschaft passenderweise für eine Schnapsidee. Stattdessen plädiert Olah in seinem Buch für flüssiges, geruchloses und nicht explosives Methanol als Energieträger der Zukunft – eine Alkoholart, die mit einer Energiedichte von 4,4 Kilowattstunden pro Liter daherkommt, leicht zu transportieren und vielfältig einsetzbar ist.
Der Alkohol ist selbst geeignet als Treibstoff in Otto-Motoren, beliebt insbesondere im Motorsport (Klopffestigkeit, Verdampfungswärme). Es kann gleichzeitig aber auch mit Benzin vermischt werden – mit deutlich besseren Eigenschaften als Ethanol oder Bioethanol, das heute in E10-Kraftstoffe integriert wird. Und letztlich kann es auch direkt in Direkt-Methanol-Brennstoffzellen als Energieträger genutzt werden – oder in solchen Brennstoffzellen, die einen vorgeschalteten Katalysator haben, der aus einem Methanol-Wasser-Gemisch letztlich Wasserstoff gewinnt.
Grundsätzlich hat die Flüssigkeit eine einfache chemische Struktur, die heutzutage auf unterschiedlichem Wege erzeugt werden kann. Es besteht aus einem Sauerstoffatom, das in eine Methangruppe eingefügt wird. Als Flüssigkeit lässt sich Methanol leicht lagern, transportieren und verwenden – weshalb dem Alkohol auch die Rolle als Energiespeicher fluktuierender erneuerbarer Energien zugetraut wird.
Herstellung: CO2 als Rohstoff
Bei der Herstellung von erneuerbarem Methanol kann CO2 als Rohstoff genutzt und der Kraftstoff somit klimaneutral genutzt werden. Dazu hat BASF erst vor wenigen Monaten ein Verfahren patentiert: Es handelt sich um ein Verfahren zur partiellen Oxidation von Erdgas, an das sich Methanolsynthese und Destillation anschließen. Nach Angaben von BASF hat sich das Verfahren in Zusammenarbeit mit Linde Energineering als vorteilhaft erwiesen – denn bislang wird die Flüssigkeit vor allem aus Erdgas oder Kohle gewonnen, was nicht besonders umweltfreundlich ist.
Ein ähnliches Verfahren setzt auch bse Engineering aus Leipzig ein, das sein Endprodukt FlexMethanol nennt. Dabei kommt allerdings kein Erdgas, sondern Kohlendioxid und Wasserstoff zum Einsatz. Die Besonderheit: Der Prozess kann flexibel betrieben werden – die Reaktionszeiten liegen bei weniger als 30 Sekunden, so dass Wasserstoff aus der Elektrolyseanlage trotz fluktuierender Windkrafterzeugung genutzt werden kann. Die Leipziger sind ausgesprochen aktiv: Ende 2020 waren drei Projekte in Planung. Mit Mercedes gemeinsam wird an einem Reinmethanol-Motor gearbeitet.
In Leuna hingegen entsteht im Chemiepark eine Anlage zur Herstellung von synthetischem Methanol auf Basis der Wasserdampf-Elektrolyse des Dresdner Cleantech-Unternehmens Sunfire. Die dortige Total Raffinerie verarbeitet pro Jahr 700.000 Tonnen Methanol auf Basis fossiler Rohstoffe.
Technisch möglich ist auch ein Verfahren ohne Erdgas: Dabei kehrt man das Prinzip der direkten Brennstoffzelle, die die Flüssigkeit verwendet und CO2 sowie Wasser produziert, um: Aus CO2 und Wasser entsteht dann mithilfe von elektrischem Strom durch Reduktion Methanol. Insgesamt lässt sich Methanol aus fast allen organischen Materialien herstellen: Ganz traditionell ist die Gewinnung über Pyrolyse von Holz, sehr modern ist auch die heutige Nutzung von organischen Abfällen oder sogar aus Hüttengasen.
Island: Vulcanol als Treibstoff
In Island ist schon vor einigen Jahren eine beeindruckende Raffinerie zur Herstellung von erneuerbarem Methanol entstanden. Das Cleantech-Unternehmen Carbon Recycling International bezieht dort den Strom aus einem benachbarten Geothermiekraftwerk, das umweltfreundlich arbeitet – und macht anschließend aus aus der Luft gefiltertem Kohlendioxid und Wasserstoff erneuerbares Methanol, sogenanntes Vulcanol. Konkret im Städtchen Grundavik auf der Halbinsel Reykjanes.
Benannt ist das CO2-Recycling-Kraftwerk von Carbon Recycling International, das fünf Millionen Liter Treibstoff pro Jahr herstellt, nach keinem geringeren als George Andrew Olah, dem Nobelpreisträger, der die Methanolwirtschaft etablieren wollte.
Während grüner Wasserstoff flüchtig ist und nur mit großem Aufwand gespeichert werden kann – etwa in der Energieträger für die dritte industrielle Revolution, aber auch Ammoniak oder LOHC – ist Methanol flüssig und gut handelbar. Nicht zu unterschätzen ist allerdings, dass es giftig ist – aber das Benzin für den Rasenmäher im heimischen Kanister wird auch niemand trinken, der bei Sinnen ist. Vorteil gegenüber Benzin ist, dass es nicht explodieren kann.
Methanol als Treibstoff im Schwerlastverkehr
Methanol könnte in den kommenden Jahren als Treibstoff im Schwerlastverkehr – beispielsweise im Schiffsverkehr entscheidend an Bedeutung gewinnen. Am MIT ist ein Plug-In-Hybridmotorsystem entwickelt worden, das für schwere LKW eingesetzt werden könnte. Der LKW wird zwar hauptsächlich durch Batterien angetrieben, verfügt aber zusätzlich über einen Flex-Fuel-Motor, der u.a. auch mit dem Energieträger betrieben werden kann. Damit könnten E-LKW solange ausgestattet werden, bis die Batterien so effizient und leichter geworden sind, dass sie auch schwere LKW sinnvoll voranbringen können.
Bei dem MIT-Konzept kommen aber Otto-Motoren statt Diesel-Motoren zum Einsatz, weil diese nur ein Zehntel der Stickoxid-Verschmutzung verursachen. Wird erneuerbares Methanol als 100-Prozent-Kraftstoff verwendet, können auch die Treibhausgase weitgehend minimiert werden. Aber: Sollte es notwendig sein, könnte der LKW auch ausnahmsweise Benzin tanken.
Brennstoffzelle für den Supersportler
In Europa gibt es gleich mehrere Hersteller von Brennstoffzellen, die am effizientesten mit Methanol funktionieren. Einer der Hersteller ist Siqens aus München, der sich mit seiner Technologie einer Hochtemperatur-Methanol-Brennstoffzelle auf Off-Grid-Lösungen und die Elektromobilität konzentriert. Im Unterschied zu konventionellen Brennstoffzellen basiert die Ecoport genannte Technologie auf einem Konzept von vier internen Zyklen (Wärme – Wasser – Katalysator – Wasserstoff), das eine Reihe von Vorteilen bringen soll.
Eine etwas andere Technologie hat das dänische Cleantech-Unternehmen Blue World Technologies entwickelt, das im September 2019 den Spatenstich für eine Fabrik feierte, die 50.000 Brennstoffzellen-Einheiten jährlich ausspucken soll. Auch Blue World Technologies kombiniert die Brennstoffzelle – wie Siqens auch – mit Batterien zur Zwischenspeicherung.
Dabei besteht eine typische Konfiguration in einem Elektroauto aus: Batteriesystem (15 bis 25 kWh), Methanol-Brennstoffzelle (10 bis 20 kW) und einem Tank mit 50 bis 80 Litern.
Für Roland Gumpert, den ehemaligen Audi-Ingenieur und heutigen Erfinder des Supersportwagens Nathalie, ist Methanol genau der richtige Treibstoff für die Zukunft. „An der Brennstoffzelle kommt in Zukunft kein Autohersteller mehr vorbei“, ist Gumpert in DER SPIEGEL überzeugt. Während die Wasserstoff-Brennstoffzelle im Auto auch in dreißig Jahren nicht richtig funktionieren werde, sei seine Technologie alltagstauglich.
Geringe Kosten bei Infrastruktur
So würde eine Wasserstoff-Tankstelle eine Million Euro kosten. 14.000 Tankstellen in Deutschland mit jeweils einer Methanol-Säule auszustatten hingegen lediglich 30 Millionen Euro. Den Kunden, die sich eine Nathalie für 400.000 Euro zulegen können, verspricht Gumpert grünes Methanol, das zum Beispiel in der Holzindustrie mithilfe von grünem Strom gewonnen wird.
„Dabei wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt und dann mit Kohlendioxid, das zum Beispiel bei der Papierherstellung entsteht, umgewandelt. Dadurch ist der Treibstoff CO2-neutral“, so Gumpert.
Gelingt das Abenteuer mit der Nathalie hat Gumpert in der nahen und fernen Zukunft viel vor. Sein Partner, der chinesische Hersteller Aiways, ist mit dem U5 auf den europäischen Markt gekommen – von diesem und weiteren Elektroautos soll es in Zukunft auch Varianten mit mehr Reichweite und Brennstoffzelle geben.
SUV und Lastwagen mit Brennstoffzelle in der Pipeline
Und: Langfristig will Gumpert die Leistung der Brennstoffzelle von Blue World Technologies aus Dänemark auf 25 Kilowatt steigern und ein SUV sowie einen Lastwagen bauen, der vier Brennstoffzellen gleichzeitig nutzt. Damit könnten die Kosten für die Brennstoffzelle perspektivisch reduziert werden.
Das zeigt: Auch erneuerbares Methanol wird als Kraftstoff eher im Schwerlastverkehr oder in besonders großen Elektroautos zum Einsatz kommen. Für die breite Masse werden klassische, reine Elektroautos die beste Wahl bleiben.
Aber: Wegen des Handlings, wegen der Weiternutzung bestehender Infrastruktur und des Vorteils bei Transport und Speicherung kann der Alkohol eine echte Alternative zu grünem Wasserstoff für die dritte industrielle Revolution werden. Und George Andrew Olah sozusagen posthum Recht behalten…
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.
Könnte man als „nachwachsenden Rohstoff“ auch Klärschlamm verwenden. Der ist momentan noch ein Schadstoff
Warum wird für den Schwerlastverkehr kein Pflanzenöl verwendet? Die Motoren müssen nicht ausgetauscht werden, es gibt gute und erprobte Systeme zur Umrüstung und die Energiedichte ist größer.
Vor 15 Jahren waren wir genau an diesem Punkt. Die Teller Tank Diskussion und die Lobbyarbeit interessierter Gruppen hat es damals zu Nichte gemacht.
Die breite Masse soll also mit umweltschädlich geförderten Giftmüll, kurze Reichweiten umsetzen? Hr. Gumpert hatte bereits Evaluationen bzgl. Methanol und der Massennutzung abgegeben. Ganz klar funktionabel. Die fahrenden Batterien gehören somit zur Vergangenheit. Auch bei der Allgemeinheit.
Hallo t0m,
kannst Du bitte belegen, dass Elektroautos „umweltschädlich geförderter Giftmüll“ seien? Wie definierst Du „kurze Reichweiten“?
Dein Kommentar grenzt an Desinformation. Ich überlege, ihn daher zu löschen, wenn keine Belege gebracht werden.
Martin
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Es heißt Klopffestigkeit und man kann Watt nicht mit Wattstunden vergleichen, die Größen sagen zwei ganz unterschiedliche Sachen aus.
Hallo Walther,
danke für den Hinweis mit der Klopffestigkeit. Ist bereits korrigiert.
Einen Vergleich Watt mit Wattstunden kann ich nirgendwo finden. Wenn Sie hier konkreter darstellen könnten, was Sie meinen, wäre ich sehr verbunden.
Danke, Martin Jendrischik
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