
Methanemissionen messen aus der Stratosphäre: Sceye-Luftschiff lokalisiert Lecks in Echtzeit
Mit einem solarbetriebenen Luftschiff hat das US-Startup Sceye erstmals Methanemissionen in Echtzeit aus der Stratosphäre detektiert – inklusive kleiner Lecks, die Satelliten übersehen.
Methan ist der Klimaturbo unter den Treibhausgasen. Ein Großteil entweicht diffus aus Öl- und Gasinfrastruktur – unsichtbar und oft unbemerkt. Während Alternativen zur Viehzucht wie Präzisionsfermentation an Bedeutung gewinnen, bleibt die Kontrolle fossiler Methanlecks eine große Herausforderung. Das Luftschiff des US-Unternehmens Sceye bietet nun einen neuen, hochpräzisen Blick aus der Stratosphäre – und bringt Licht in eines der dunkelsten Kapitel industrieller Emissionen.
Technologie aus der Stratosphäre: Echtzeitdaten mit Submeter-Präzision
Gemeinsam mit der US-Umweltbehörde (EPA) und dem Bundesstaat New Mexico hat das Cleantech-Unternehmen Sceye erstmals Methanlecks in Echtzeit aus 20 Kilometern Höhe gemessen. Das Luftschiff ist Teil eines sogenannten High-Altitude Platform Systems (HAPS) – ein solarbetriebenes, stationäres Überwachungssystem mit Infrarotsensorik und hochauflösender Kameraoptik. Dank eines speziell entwickelten Dual-Sensors (SWIR640 + SceyeCam) erreicht das System eine Auflösung von unter einem Meter – deutlich feiner als Satelliten.
So konnte Sceye nicht nur große „Super-Emitter“ (über 1000 kg/h) identifizieren, sondern auch kleinste, verstreute Lecks mit weniger als 100 kg/h, die für rund 70–90 Prozent der Methanemissionen verantwortlich sind. Diese bisher übersehenen Quellen stellen eine zentrale Herausforderung für den Klimaschutz dar.
Warum ein Luftschiff? Entscheidung für maximale Wirkung
Sceye entschied sich bewusst gegen Ballons oder Drohnen und für die Luftschiff-Form, da diese mehr Nutzlast tragen, länger über einem Gebiet verweilen und dabei weder Raketenantriebe noch Einwegmaterialien benötigen.
Tagsüber wird das HAPS mit Solarenergie betrieben, nachts mit Hochleistungsbatterien. Der Verzicht auf fossile Betriebsmittel macht den Betrieb nicht nur effizient, sondern auch umweltfreundlich.
Die Plattform ist darauf ausgelegt, wochen- bis monatelang stationär in der Stratosphäre zu bleiben – und über Tausende Quadratkilometer kontinuierlich zu überwachen. Satelliten können diese Kadenz und Auflösung nicht leisten, Flugzeuge und Drohnen sind teurer und liefern nur Momentaufnahmen.
Nächste Schritte: Vom Mapping zum Echtzeit-Alarm
In den kommenden Monaten plant Sceye, seine Plattform zur Serienreife zu bringen. Ziel ist ein Echtzeit-Alerting-System für Betreiber und Behörden – mit der Möglichkeit, Lecks binnen Minuten zu identifizieren, zu lokalisieren und zu beheben.
Erste Verträge mit fossilen Unternehmen sind in Vorbereitung. Parallel soll die Technologie auch für Frühwarnsysteme bei Waldbränden und in der Katastrophenhilfe eingesetzt werden.
Sceye: Herkunft, Mission & Gründerstory
Sceye wurde 2014 vom dänischen Sozialunternehmer Mikkel Vestergaard Frandsen gegründet – dem Mann hinter Lifestraw und Vestergaard, zwei Unternehmen, die weltweit Milliarden Menschen mit Moskitonetzen und sauberem Trinkwasser versorgten. Der humanitäre Anspruch prägt auch Sceye: „Wir verbinden und schützen unseren Planeten – von der Stratosphäre aus“, so das Leitmotiv.
Zentral für die Entwicklung war die materialwissenschaftliche Expertise des Teams: Neue Methoden zur Heliumspeicherung, Gewichtseinsparung und Energierückgewinnung ermöglichten ein dauerhaftes, autonomes System in extremen Höhenlagen. Das Ergebnis: Die erste HAPS-Plattform der Welt mit dauerhaftem Betrieb – und einem klaren Fokus auf gesellschaftlichen und ökologischen Impact.
Politische Einordnung: Neue Hebel für Klimapolitik
Während auf Bundesebene in den USA Methanregulierungen zurückgefahren werden, setzen Bundesstaaten wie New Mexico auf konsequente Überwachung. Sceyes Technologie könnte dabei helfen, unabhängige Datensätze zu liefern – jenseits der Selbstangaben der Industrie.
Behörden erhalten ein Mittel zur effektiven Kontrolle und gezielten Intervention – bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung angesichts begrenzter Personalressourcen.
Fazit: Daten für eine saubere Welt 2030+
Sceyes Luftschiff macht sichtbar, was lange im Verborgenen lag: Methanlecks in all ihrer Streuung und Wirkung. Die Technologie ist skalierbar, wirtschaftlich tragfähig und kompatibel mit regulatorischen wie marktwirtschaftlichen Mechanismen.
Sie bringt Transparenz in eine Grauzone der Emissionsvermeidung – und leistet damit einen wirksamen Beitrag zur erfolgreichen Eindämmung des Klimawandels.
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Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.