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Nach dem Atomausstieg: Volle Energie für die Transformation

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In der Dekade der Disruption werden durch den ‚Blick zurück‘ Chancen für Wirtschaft und Gesellschaft zu Risken.

Volle Energie: Der in der Nacht des 15. April 2023 vollzogene Atomausstieg in Deutschland bedeutet einerseits das Ende der Kernenergie, aber andererseits auch die Chance ohne quälende Debatten den Fokus auf die Transformation zu richten. Es gilt, all die Emotion, all den Einsatz, das Engagement, das Politiker von CDU, CSU und FDP aufgebracht haben, um ihren eigenen Ausstiegsbeschluss als „ideologisch“ zu framen, für den ‚Blick voraus‘ sinnvoll einzusetzen. Die Jahrhundertaufgabe Energiewende und die gesellschaftliche Transformation in Richtung Klimaneutralität brauchen ‚volle Energie‘.

Wir setzen mit dem Atomausstieg um, was Union und FDP 2011 beschlossen haben. Wie im Atomgesetz festgelegt, werden Emsland, Neckarwestheim 2, Isar 2 am 15. April 2023 stillgelegt und dann zurückgebaut.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck

Wir befinden uns in dem Jahrzehnt, in dem Veränderung durch technologische Disruptionen zum Normalfall wird. So wie die erneuerbaren Energien das fossile Energiesystem längst ins Wanken gebracht haben, wird ‚Disruption‚ auch viele andere Sektoren erfassen. Erst kürzlich veröffentlichte Lazards den neuerlichen Beleg in dieser Grafik: Erneuerbare sind erheblich günstiger geworden, Atomstrom hingegen viel teurer:

Lazards Disruption Solarenergie Atomkraft

Neben dem Energiesektor – die schnelle Energiewende ist Basis für viele andere Geschäftsmodelle – gibt es auch Veränderungen durch Dämmung und technische Umrüstung von Gebäuden oder beispielsweise in der Landwirtschaft. Dort werden sich Technologien wie etwa die Präzisionsfermentation durchsetzen. Und natürlich geht es auch um die Dekarbonisierung der Industrie sowie der Mobilität: Chemie, grüner Stahl, Beton, Schiff- und Luftfahrt lauten die Schlagworte.

Schon die Energiewende ist eine Jahrhundertaufgabe

All diese Veränderungen zusammen, sind wahrlich eine Menschheitsaufgabe, die sämtliche Ressourcen des Landes und darüber hinaus benötigen wird. Daher muss es jetzt rund um die ökologische Transformation heißen: Volle Energie für den Wandel.

Alleine bei der Energiewende gibt es unzählige „Baustellen“, die angegangen werden müssen. Dabei beschreibt „Baustellen“ das operative Umsetzen, nicht mehr den Kampf um Konzepte. Wie Energiewende und Transformation in der Theorie funktionieren, ist von der Wissenschaft längst untersucht worden und unter denen, die schon heute an der Umsetzung arbeiten in weiten Teilen unbestritten.

Den Kern bildet der Ausbau der Erneuerbaren Energien. Sorge bereitet hier weniger der Ausbau der Photovoltaik auf Dächern, Carports, Parkplätzen, an Autobahnen oder der Freifläche. Sorge bereitet vielmehr der Ausbau der Windkraft an Land, da noch nicht alle Bundesländer mitziehen. Insbesondere Bayern und Baden-Württemberg, aber auch Sachsen und Thüringen hinken trotz mancher Beschleunigungsansätze hinterher. Nordrhein-Westfalen oder der Norden hingegen gehen voran.

Positive Signale, dass der Umbau der Energieversorgung funktionieren wird, gibt es bei der Offshore-Windenergie. Hier gibt es wenig Widerstände zu überwinden. Es ist eher ein Frage kluger, weitgehend zentralistischer Planung, die das Bundeswirtschaftsministerium gemeinsam mit den Bundesländern und Kommunen meistert.

Eine weitere Baustelle ist der Neubau von Gaskraftwerken und der Umbau von Kohlekraftwerken zu solchen, die „H2-ready“ sind. Erste Energieversorger wie EnBW sind mit Umbauplänen bereits vorgeprescht, während die Regierung noch ein übergreifendes Konzept entwickelt. In diesem Jahr sollen neue Gaskraftwerke ausgeschrieben werden.

Und dann wären da noch die Baustellen Smart Meter und Digitalisierung, Stromnetzausbau und schließlich das Thema Speicher. Alles Bereiche, die seit Jahren von Bundesregierungen adressiert sind, aber allesamt heftig ins Stocken gerieten. Der Neustart bei intelligenten Stromzählern und Digitalisierung ist erfolgt, aber beim Stromnetzausbau bewegt sich derzeit noch zu wenig. Speicher braucht es auf allen Ebenen – insbesondere auch um den Hochlauf der Elektromobilität abzufedern.

Volle Energie für die Transformation

Der immer wiederkommende ‚Blick zurück‘ ist in der Dekade der Disruption vielleicht das größte Risiko für das Gelingen der notwendigen Transformation. Volle Energie für die Transformation ist aber etwas, dass alle Protagonisten an der Macht nun benötigen. Wenn Bayerns Ministerpräsident Söder ankündigt, den Atomausstieg nach einer kommenden Bundestagswahl rückgängig machen zu wollen, dann fühlt man sich an vor 20 Jahren erinnert, als der erste Atomausstieg zunächst zurückgenommen und wenig später doch wieder durch die Regierung Merkel erneuert wurde.

Ab morgen gilt es also, den Turbo für das, was dringend notwendig ist, anzuschalten. Einen Neustart der Energiewende, wie ihn Niedersachsens Ministerpräsident Weil mit dem Atomausstieg beschwört, braucht es nicht: Den hat es zum Regierungswechsel zur Ampelkoalition gegeben. Was es braucht, ist Rückendeckung für die, die Deutschland ernsthaft in die Zukunft und nicht in die Vergangenheit führen wollen – mit Robert Habeck im Mittelpunkt.

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% S Kommentare
  1. Michael Brod sagt

    V2G könnte sich als „Rohrkrepierer“ herausstellen, wenn nämlich der motorisierte Individualverkehr (MIV) abgelöst wird durch autonom fahrende Kleinbusse. Dann gibt es nämlich keine „Stehzeuge“ mehr, die etwas ins Netz einspeisen könnten. Die Sharing-Fahrzeuge sind unentwegt unterwegs und brauchen ihre Standzeiten zum Laden. Private PKW würden womöglich auf 10 % des heutigen Bestands schrumpfen.

  2. Helmut Lawrinenko sagt

    Zitat au dem Artikel: „Speicher braucht es auf allen Ebenen – insbesondere auch um den Hochlauf der Elektromobilität abzufedern.“
    Elektroautos der neuesten Generation können bidirektional Laden, d. h., auch Strom ins Netz zurückspeisen (V2G = Vehicle TonGrid).
    Daher können Elektroautos eher die Lösung des Problems sein.
    Vielmehr wird die Verbreitung der Wärmepumpen einen massiven Ausbau der Netze und Speicher – und diese vor allem regional – erfordern.
    Lade- und infomationstechnisch ist V2G mittlerweile gut erprobt. Es fehlt aber wieder mal am politischen Willen, V2G rechtlich und fiskalisch zu ermöglichen und dabei auch die Stromversorger in die Pflicht zu nehmen.

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