CC BY-SA 3.0 / AKW Almarez
Keine Renaissance: Spaniens Atomausstieg bleibt auf Kurs
Auch nach dem iberischen Blackout ist eine Verlängerung der Laufzeiten der alten Meiler in Spanien höchst unwahrscheinlich.
Die Nachricht vom historischen Stromausfall vom 28. April 2025 („Iberischer Blackout“) hat die energiepolitische Debatte in Spanien angeheizt. Während Teile der Wirtschaft und konservative Kräfte nun für eine Veränderung von Spaniens Atomausstieg eintreten, zeigen die aktuellen Analysen: Die Ursachen liegen tiefer – am Atomausstieg selbst wird kaum gerüttelt. Vielmehr rücken innovative Speicherlösungen und flexible Netzinfrastruktur ins Zentrum der Debatte.
Am Mittag des 28. April 2025 begann in Südspanien ein beispielloses Stromnetz-Ereignis. Innerhalb weniger Minuten kam es zu einer bislang einzigartigen Kaskade von Ausfällen und Teilauskoppelungen im Verbundsystem. Davon betroffen waren fast 50 Millionen Menschen in Spanien, Portugal und Teilen Frankreichs.
Der jetzt veröffentlichte Zwischenbericht der europäischen Übertragungsnetzbetreiber (Entso-E) widmet diesem Fall knapp 300 Seiten: Er dokumentiert eine Vielzahl von Spannungsschwankungen, Transformatorenausfällen und einen abrupten Abfall von Netzlast.
Kernursachen und technische Lehren
Der Bericht macht klar: Es gab keine einzelne „Schuld“ einer Technologie. Vielmehr wurde das System von sukzessiven Ausfällen überfordert – angefangen bei Spannungsspitzen rund um Granada, über ausgefallene Transformatoren bis hin zu ungewollten Trennungen von mehreren Kraftwerken.
Besonders kritisch: Als mehrere Transformatoren sich aus Sicherheitsgründen abschalteten, fehlten plötzlich rund 2 Gigawatt Last – die Spannung stieg, weitere Komponenten trennten sich automatisch zur Netzstabilisierung ab. Schließlich kam es zum Kollaps und flächenweiten Stromausfall.
Wichtig: Viele der abgeschalteten Anlagen waren Wind- und Solarkraftwerke, aber der Bericht macht deutlich, dass primär die Steuerung der Netzspannung – nicht die Erzeugungserzeugungsstruktur selbst – das zentrale Problem war. Die Systemträgheit, die konventionelle Großkraftwerke liefern, fehlte, ebenso wie Schwarzstartfähigkeit bei der Wiederinbetriebnahme.
Wie funktioniert Spaniens Stromsystem?
Spanien ist wie die gesamte Iberische Halbinsel durch die geografische Lage schwächer an das zentraleuropäische Netz angebunden („elektrisches Inselproblem“). Fluktuationen können deshalb größere Wirkung entfalten als beispielsweise in Deutschland, wo die Netze dichter und stärker gekoppelt sind. Gerade im Zuge des forcierten Ausbaus der Erneuerbaren tun sich hier neue Herausforderungen in der Systemführung auf.
Ein weiteres Problem: In einzelnen Regionen war zu viel Solarstrom verfügbar, der durch geplante Stromexporte Richtung Frankreich eigentlich in den Markt gebracht werden sollte. Als diese Exporte nicht wie vorgesehen verliefen, entstanden Überkapazitäten und damit zusätzliche Netzbelastungen.
Zukunft: Flexibilität und Speicher als Schlüssel
Der Zwischenbericht empfiehlt, künftig Speichertechnologie und moderne, netzbildende Wechselrichter intensiver zu fördern. Spanien orientiert sich dabei auch am deutschen Beispiel: Dort laufen seit 2024 erste Projekte zur großskaligen Einbindung von Batteriespeichern und „grid forming“-Wechselrichtern, die Netzträgheit bereitstellen und für Systemstabilität sorgen können. Nur so kann die Energiewende erfolgreich gelingen, ohne auf überholte Technologie wie Atomkraft setzen zu müssen.
Politische Lage: AKW steht vor dem Aus
Trotz der öffentlichen Debatte bleibt Regierungschef Pedro Sanchez bei der Linie: Die erste Abschaltung erfolgt 2027 (Almaraz), bis 2035 folgen die anderen sechs Atommeiler. Die sozialdemokratische Regierung setzt auf eine dezentrale, moderne Energiewirtschaft mit Erneuerbaren und Flexibilität.
Der aktuelle Vorstoß der AKW-Betreiber, mit Verweis auf Netzausfälle eine Verlängerung zu begründen, stößt bislang auch international auf Skepsis. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sprechen dagegen: Durch günstigen erneuerbaren Strom sinken die Margen für Altmeiler, oft sind Wartungs- und Nachrüstkosten höher als die zu erwartenden Erlöse.
Internationale Einordnung & Stimmen aus der Wissenschaft
Wackelt Spaniens Atomausstieg? Nein, Spanien bleibt mit dem geplanten Atomausstieg in guter Gesellschaft: Die meisten westeuropäischen Länder setzen verstärkt auf Wind, Solar, Speicher und Digitalisierung. Nur einige Staaten wie Frankreich setzen weiterhin systematisch auf Kernenergie, oft aus politischen oder industriepolitischen Motiven.
Wissenschaftler wie Antonio Turiel vom spanischen Forschungsrat CSIC betonen: „Der Weg zu einem robusten Netz führt nicht über AKW-Laufzeitverlängerungen, sondern über Innovation, Lastmanagement und Speicherausbau.“ Auch Experten der Übertragungsnetzbetreiber fordern: „Die Technik zur Netzstabilisierung mit Erneuerbaren ist vorhanden – jetzt muss investiert und umgesetzt werden.“
Der spanische Atomausstieg bleibt trotz politischer Manöver auf Kurs. Die eigentlichen Herausforderungen sind technischer und organisatorischer Natur: Modernere Infrastruktur, mehr Speicher und flexible Verbraucher werden das System zukunftsfest machen. So bleibt Spanien ein potentielles Vorbild für die Abstimmung zwischen Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Netzstabilität – und zeigt, wie Energiewende praktisch funktionieren kann.
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