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Iberischer Blackout: Bericht entlastet Solarenergie – Netzversagen als Hauptursache

Regierungsbericht deckt Ursachen des iberischen Blackouts in Spanien und Teilen Portugals auf – zu wenig Spannungsregelung, keine Cyberattacke, kein Versorgungsproblem

Am 17. Juni 2025, 49 Tage nach dem iberischen Blackout, hat die spanische Regierung den offiziellen Bericht vorgelegt, der den Stromausfall in Spanien am 28. April umfassend analysiert. Nun steht fest: Nicht Solarstrom oder Cyberattacken waren verantwortlich, sondern eine Verkettung technischer und systemischer Defizite im Stromnetz. Der vollständige Bericht ist online einsehbar unter miteco.gob.es (auf spanisch).

🔍 Iberischer Blackout: Chronologie des Stromausfalls in Spanien

Bereits in den Tagen vor dem iberischen Blackout kam es zu anhaltenden Spannungsschwankungen, die sich am 28. April zu einer kritischen Kaskade ausweiteten:

  • Ab 12:03 Uhr traten mehrere ungewöhnlich starke Spannungsoszillationen auf (u. a. mit 0,6 Hz).
  • Zahlreiche spannungsführende Anlagen waren nicht aktiv – oder reagierten entgegen ihrer Vorgabe.
  • In der Folge kam es zu einer massiven Spannungserhöhung, die wiederum automatische Abschaltungen von Kraftwerken auslöste – teilweise, bevor die eigentlichen Grenzwerte überschritten wurden.
  • Das System verlor den Synchronismus mit Frankreich, woraufhin die Netzkopplung getrennt wurde – das iberische Stromnetz kollabierte innerhalb von Sekunden.

Trotz dieser dramatischen Entwicklung gelang es Spanien, das Netz innerhalb weniger Stunden wieder schrittweise aufzubauen: Um 7 Uhr morgens am 29. April waren 99,95 % der Verbraucher wieder versorgt.

Letztlich kann gesagt werden: Zwar waren mehrere Millionen Menschen betroffen, doch handelte es sich nicht um einen vollständigen Blackout der iberischen Halbinsel, sondern um regionale Stromausfälle in Spanien – insbesondere in Katalonien, Valencia und Andalusien.

💡 Keine Schuld der Erneuerbaren – aber Handlungsbedarf

Der Untersuchungsbericht zum spanischen Stromausfall stellt klar: Spanien hatte genügend Erzeugungskapazitäten – auch durch Solar- und Windkraft. Was fehlte, war Netzstabilität durch gezielte Spannungskontrolle. Mehrere der geplanten zehn spannungsführenden Kraftwerke waren nicht einsatzbereit – andere reagierten technisch falsch.

Zudem fehlten moderne Netzbildner (grid-forming inverters) – obwohl diese insbesondere bei neuen PV- und Windparks technisch längst verfügbar wären. Ein entsprechendes Regelwerk (PO 7.4) liegt zwar vor, ist aber noch nicht umgesetzt.

Auch der Verdacht auf einen Cyberangriff wurde durch 300 Gigabyte ausgewerteter Daten widerlegt.

Laut dem spanischen Netzbetreiber Red Eléctrica war eine Überspannung auf einer Stromleitung zwischen Frankreich und Spanien der Auslöser. Um das Netz vor weiteren Schäden zu schützen, griff ein automatischer Schutzmechanismus – mit der Folge regionaler Netzausfälle.

Darüber hinaus benennt der Bericht mehrere operative Fehlentscheidungen, die zur Eskalation der Lage beitrugen. Der Netzbetreiber Red Eléctrica habe bei der Planung der Stromversorgung nicht mit der nötigen Vorsicht agiert – insbesondere, weil zu wenige regelbare Kraftwerke vorgesehen waren. Klassische thermische Kraftwerke reagieren schneller und stabiler auf Spannungsschwankungen als Wind- und Solaranlagen, wurden aber in der Einsatzplanung offenbar nicht ausreichend berücksichtigt.

Auch das Verhalten der Kraftwerksbetreiber wird kritisiert. Einige hätten bei hoher Spannung zu wenig Einspeisung gedrosselt, andere wiederum ihre Anlagen vorschnell und regelwidrig vom Netz getrennt. In mindestens einem Fall geschah dies laut Betreiberangaben, um die Anlage vor drohender Überspannung zu schützen – eine Einschätzung, die jedoch nicht den offiziellen Abschaltkriterien entsprach.

Warum der Netzbetreiber zu riskant plante und warum die Betreiber fehlerhaft oder uneinheitlich reagierten, ist laut Bericht weiterhin ungeklärt. Der Vorfall offenbart damit auch Defizite in der betrieblichen Kommunikation und der Anwendung bestehender Sicherheitsprotokolle.

Rückendeckung für die Solarenergie kommt auch von SolarPower Europe. Der Branchenverband betont in seiner Reaktion auf den Bericht zum spanischen Stromausfall, dass Photovoltaik-Anlagen keineswegs die Ursache für den Zusammenbruch gewesen seien. Vielmehr habe der Stromausfall gezeigt, wie wichtig es sei, moderne Solarparks mit netzbildender Leistungselektronik auszustatten und regulatorisch einzubinden.

SolarPower Europe fordert daher, den Netzzugang für solche Anlagen zu verbessern und sie aktiv in die Systemverantwortung zu nehmen – statt ihnen pauschal Schuld zuzuweisen.

🛠️ Regierung plant ein Maßnahmenpaket

Um die strukturellen Schwächen zu beheben, hat die spanische Regierung ein umfassendes Maßnahmenpaket angekündigt. Im Zentrum steht die beschleunigte Umsetzung des Regelwerks PO 7.4. Dieses soll es ermöglichen, moderne Technologien wie netzbildende Wechselrichter systematisch in das Stromnetz zu integrieren und so für eine bessere Spannungsstabilisierung zu sorgen.

Parallel dazu plant die Regierung, den Ausbau von Batteriespeichern und die Flexibilisierung der Stromnachfrage deutlich zu verstärken. Ziel ist es, Lastspitzen besser abzufedern und das Netz widerstandsfähiger gegenüber plötzlichen Schwankungen zu machen.

Ein weiterer Fokus liegt auf der stärkeren Einbindung der Industrie: Unternehmen sollen verstärkt Anreize erhalten, ihre Stromnachfrage flexibel zu gestalten und so einen Beitrag zur Netzstabilität zu leisten.

Nicht zuletzt soll die Netzanbindung an das europäische Festland, insbesondere nach Frankreich, ausgebaut werden. Eine engere Kopplung mit den Nachbarländern gilt als essenziell, um auf künftige Störungen schnell und grenzüberschreitend reagieren zu können.

Der Maßnahmenplan der spanischen Regierung unterscheidet sich dabei kaum von den Schritten, die auch die deutsche Bundesregierung ergreifen muss, um die Energiewende voranzutreiben. In beiden Ländern geht es um mehr Flexibilität im System – etwa durch Batteriespeicher, durch den flächendeckenden Einsatz von Smart Metern mit dynamischen Stromtarifen und durch gezielte Anreize für eine flexible Stromnachfrage in der Industrie. Der Boom der Solarenergie auf der Iberischen Halbinsel spiegelt sich auch in Deutschland wider – und in beiden Fällen steht die Integration dieser Leistung in ein stabiles Stromnetz im Zentrum der nächsten Ausbaustufe.

📌 Weiterführende Cleanthinking-Beiträge:

✍️ Einschätzung von Martin Jendrischik, Gründer von Cleanthinking.de

Die wichtigste Erkenntnis aus dem iberischen Blackout: Nicht der Ausbau der Erneuerbaren war Ursache der Krise – sondern die fehlende Systemintegration. Es genügt nicht, Wind- und Solaranlagen zu installieren – es braucht ein Energiesystem, das in der Lage ist, diese Leistung auch stabil und intelligent zu integrieren.

Die schnelle Wiederherstellung der Versorgung innerhalb weniger Stunden zeigt: Trotz der Schwächen funktionieren viele Schutzmechanismen im europäischen Netzverbund zuverlässig – allerdings sind Investitionen in Frühwarnsysteme und Netzkoordination dringend nötig.

Dazu gehören leistungsfähige Netze, regelbare Speicher, präzise Spannungskontrolle und smarte Lastverschiebung. Nur so kann Versorgungssicherheit auch in einem dezentralen, klimaneutralen Energiesystem gewährleistet werden.

Vor diesem Hintergrund wirken die Pläne von Katherina Reiche und dem von ihr geführten Branchenverband BDEW, überdimensionierte Gaskraftwerke in Deutschland zu forcieren, wenig zielführend. Statt auf zentrale Backup-Strukturen zu setzen, braucht es dezentrale, flexible und speicherbasierte Lösungen. Mehr zu Reiche und ihrer Rolle.

Ebenso wird deutlich, dass auch die Atomkraft nach dem iberischen Blackout keine Renaissance erleben wird. Das oft bemühte „tote Pferd“ bleibt technisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich ungeeignet, um schnelle und flexible Antworten auf moderne Netzanforderungen zu liefern – besonders dann, wenn es um Spannungs- und Frequenzstabilität im Erneuerbaren-Zeitalter geht.

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