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Boston Metal: Elektrolyse als saubere Alternative zur Stahl-Herstellung

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Boston Metal entwickelt Plattform-Technologie zur umweltfreundlichen Metall-Produktion.

Das Cleantech-Unternehmen Boston Metal entwickelt eine saubere Technologie für die Gewinnung von Stahl. Wäre die globale Stahlindustrie ein Land, wäre Steel Republic der drittgrößte Emittent von Treibhausgasen hinter China und den USA. Das aus dem MIT ausgegründete Unternehmen ersetzt Kohle bzw. Koks durch Elektrizität – und will damit Stahl analog zur Aluminium-Produktion in einem Elektrolyse-Verfahren herstellen. Dank hochkarätiger Investoren hat Boston Metal mehr als 260 Millionen US-Dollar zur Verfügung.

Der globale Stahlbedarf ist atemberaubend. Benötigte die Welt im Jahr 1950 noch 189 Millionen Tonnen, so stieg diese Nachfrage bis heute auf mehr als 1,8 Milliarden Tonnen, also um den Faktor 10. Wäre „Steel Republic“ ein Land, es wäre der drittgrößte Emittent von Treibhausgasen nach China und den USA – die Industrie ist heute für acht bis neun Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich.

Doch damit ist die Entwicklung keineswegs abgeschlossen: Bis ins Jahr 2040 wird mit einer weiteren Verdopplung auf 3,7 Milliarden Tonnen gerechnet.

Die Stahlindustrie in Europa war jahrzehntelang von einem Technologiepfad überzeugt, der extrem aufwändig und ziemlich energieintensiv ist. Der größte Pferdefuß dabei: Im Verfahren wird Kohle bzw. Koks erhitzt, um dem Eisenerz mit dem entstehenden Kohlenmonoxid den Sauerstoff „zu klauen“. Den komplexen Herstellungsprozess von Stahl zeigt die obige Grafik anschaulich.

Doch durch dieses Andocken von einem Sauerstoff-Molekül an Kohlenmonoxid entstehen große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid, das überwiegend in die Atmosphäre entlassen wird. Eine Möglichkeit, die beispielsweise ThyssenKrupp verfolgt, wäre es daher, das Kohlendioxid vor Abgabe in die Atmosphäre herauszufiltern und zu binden oder zu speichern. Aber das macht einen ohnehin schwer wirtschaftlichen Prozess nicht wirtschaftlicher.

Alternative: Wasserstoff statt Kohlenstoff

Insbesondere die europäische Stahlindustrie sucht daher nach Alternativen: Salzgitter Flachstahl etwa hat mit dem SALCOS-Projekt ein Verfahren beschrieben, bei dem der Kohlenstoff durch Wasserstoff ersetzt wird. Geschmeidig daran: Statt Kohlendioxid entsteht Wasser als Nebenprodukt.

Das Problem: Alleine Salzgitter benötigt Elektrolyseure mit einer Leistung von 960 Megawatt – und passend dazu gelieferten grünen Ökostrom aus Windenergieanlagen. Denkt man das weiter, braucht die Stahlindustrie alleine mehrere Tausend Windräder auf See, die kontinuierliche Leistung bringen und damit entsprechend Elektrolyseure versorgen können. Das Vorhaben ist denkbar, aber kosten- und energieintensiv.

Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, dass Elektrolyseure heutzutage eine relativ kontinuierliche Energiezufuhr benötigen – dadurch ist es heute eher realistisch, solche Elektrolyseure an der Küste oder direkt angedockt an Offshore-Windparks aufzustellen als dezentral verteilt in der Nähe eines Stahlwerks. Letztlich macht diese Voraussetzung das Gesamtvorhaben nicht einfacher.

Bosten Metal setzt auf Eisenoxid-Elektrolyse

Boston Metal Management

Das Cleantech-Startup Boston Metal ist davon überzeugt, einen anderen Weg für die Produktion von Stahl einschlagen zu können. Die von Boston Metal entwickelte Technologie ist eine Art der Elektrolyse – sie nennen sie Molten Oxide Electrolysis. Die Kerntechnologie wurde am Massachusetts Institute of Technology entwickelt. Genauer im Labor von Professor Donald Sadoway.

Der kommunikative Wissenschaftler und seine Studenten bewiesen, dass eine Vielzahl von Metallen, Stahl eingeschlossen, in einer Molten Oxide Elektrolyse (im Labormaßstab) hergestellt werden können. So entstand mit den Co-Gründern Prof. Antoine Allanore und Dr. Jim Yurko im Jahr 2012 das Cleantech-Unternehmen Boston Metal.

Seitdem hat es das Team geschafft, den im Labor nachgewiesenen Prozess um den Faktor 1.000 zu skalieren. Mittlerweile wird das Unternehmen von Tadeo Carneiro geleitet, dem früheren CEO des weltgrößten Niob-Herstellers CBMM. Das Team arbeitet daran, die eigene Plattform-Technologie auf unterschiedliche Bereiche auszudehnen – und beispielsweise auch Metalle aus der Kategorie der Seltenen Erden zu produzieren.

Technologie im Detail: Von Eisenoxid zu Stahl

Die Idee, über ein Elektrolyse-Verfahren flüssiges Metall zu erzeugen, entstand durch einen Zufall. Denn Sadoway war ursprünglich von der NASA beauftragt, ein Verfahren zu entwickleln, mit dem auf dem Mond Sauerstoff erzeugt werden kann. Bei den Tests mit der Schmelzoxid-Elektrolyse stellte sich heraus, dass als Nebenprodukt flüssiges Metall entsteht – auf der Erde natürlich wesentlich wertvoller als Sauerstoff.

Wie die Technologie funktioniert, zeigt die Grafik: Oben befindet sich eine Anode. Die Kathode bildet eine dünne Metallschicht am Boden. Die positiven und negativen Elektroden wirken zusammen – vergleichbar mit einer Pumpe, die Elektroden durch das Elektrolyt in die Kammer treibt. Der Elektrolyt ist eine Mischung aus metallischen Mineralien und anderen Oxiden.

Heizt elektrische Spannung das Gemisch auf, steigt aus dem Eisen befreiter Sauerstoff in kleinen Blasen auf. Das entstehende Metall sammelt sich am Boden. Öffnet man am Reaktor die Klappe auf der Vorderseite, fließt geschmolzenes Metall aus der Zelle.

Ein ganz ähnliches Verfahren wird auch bei der Aluminium-Produktion eingesetzt – allerdings bei deutlich niedrigeren Temperaturen. Um Roheisen zu gewinnen, sind 1.550 Grad Celsius erforderlich – für viele herkömmliche Materialien eine viel zu hohe Temperatur..

Kurz vor der Gründung von Boston Metal gelang dem Sadoway-TReam ein Durchbruch, als sie ein geeignetes Material für die Anode des Reaktors fanden: Eine kostengünstige Legierung aus Chrom und Eisen, die siesen Temperaturen standhalten kann. „Das war der Durchbruch, der Boston Metal wirklich angetrieben hat“, sagt Sadoway rückblickend.

Revolution der Stahlherstellung?

Und dieser Durchbruch könnte in fünf bis zehn Jahren zu einer Revolution der Stahlherstellung führen. Wieso das Verfahren günstiger ist als bisherige Herstellungswege verdeutlicht die Grafik aus einer Sadoway-Präsentation:

Laut Boston Metal ist die Elektrolyse-Technologie modular, d.h. es sind keine mit klassischer Stahlerzeugung verbundenen Investitionen in Milliardenhöhe benötigt, um mit der Produktion beginnen zu können. Und auch der Energieaufwand ist ein Vorteil: Das Unternehmen rechnet mit 25 Prozent geringeren Kosten – ganz anders also als bei der Alternativ-Route mit Wasserstoff.

Mittlerweile wird Boston Metal von hochkarätigen Investoren wie Breakthrough Energy Ventures, OGCI Climate Investments, Prelude Ventures und The Engine (MIT) finanziert. mBis zur kommerziellen Reife liegt allerdings nnoch ein Weg vor dem Team: In fünf Jahren rechnet CEO Tadeo Carneiro mit einer großen Demonstrationsanlage. Deutlich früher soll die erste Technologie zur Herstellung von Ferrolegierungen marktreif sein.

Die Stahlherstellung ist weltweit einer der größten industriellen Emittenten von Treibhausgasen, der etwa acht Prozent der gesamten THG-Emissionen verursacht. Mit seiner einzigartigen Technologie der Schmelzoxid-Elektrolyse hat Boston Metal das Potenzial, die massive stahlverarbeitende Industrie zu dekarbonisieren und eine Reihe von hochwertigen Produkten auf globaler Ebene wirtschaftlich zu liefern.

Carmichael Roberts von Breakthrough Energy Ventures

Während Boston Metal kaum marktschreierisch auf sich aufmerksam macht, sondern seriös die eigene Plattform-Technologie vorantreibt, sind Auszeichnungen nicht von der Hand zu weisen. Zu beginn des Jahres war das Unternehmen erstmals auf der Cleantech 100-Liste der Cleantech Group zu finden – und vor wenigen Tagen wurde es als Tech Pioneer von Bloomberg New Energy Finance ausgezeichnet.

ArcelorMittal investiert in den Stahl-Disruptor

Wie groß die Erwartungen der Stahlhersteller an die Technologie von Boston Metal sind, zeigt die Tatsache, dass ArcelorMittal 32 Millionen Dollar in das Cleantech-Unternehmen investiert hat – und Boston Metal in seinen Erläuterungen dazu als „Stahl-Disruptor“ bezeichnet. Die Transaktion ist die bisher größte einzelne Erstinvestition des Unternehmens durch seinen XCarb Innovation Fund. Der im März 2021 aufgelegte Fonds zielt darauf ab, in die besten und intelligentesten Technologien zu investieren, die das Potenzial haben, eine bedeutende Rolle bei der Dekarbonisierung der Stahlindustrie zu spielen.

Das Engagement von ArcelorMittal, das am 27. Januar 2023 bekannt wurde, ist Teil der Series-C-Finanzierungsrunde, in der Boston Metal 120 Mio. Dollar frisches Kapital erhielt. Neben aktuellen Investoren sind auch Microsofts Climate Innovation Fund und SiteGround Capital als neue Investoren in diese Runde eingetreten. Daneben zählen auch Breakthrough Energy Ventures, der Bergbaukonzern Vale, BHP und BMW i Ventures zu den Geldgebern.

Saudi Aramco steigt bei Boston Metal ein

Boston Metal gab Anfang September 2023 den Abschluss seiner Serie-C-Finanzierung bekannt, wodurch sich die Gesamtsumme der Serie auf 262 Millionen US-Dollar erhöht. Zu den neuen Investoren gehören Aramco Ventures, der globale Investmentmanager M&G Investments, die Investmentfirma für natürliche Ressourcen Goehring & Rozencwajg und die Investmentmanagementfirma Baillie Gifford. Der bestehende Investor Breakthrough Energy Ventures beteiligte sich ebenfalls an der Runde, und mehrere andere investierten zusätzlich in die Serie C, darunter der Climate Innovation Fund von Microsoft, BHP Ventures und Prelude Ventures.

Die Mittel der Serie C werden die Produktion von grünem Stahl in der Pilotanlage des Unternehmens außerhalb von Boston erweitern und die Standortauswahl und den vorläufigen Entwurf seines ersten Werks für grünen Stahl unterstützen. Die neuen Ressourcen werden auch den Bau und die Inbetriebnahme einer Produktionsanlage für hochwertige Metalle bei der brasilianischen Tochtergesellschaft des Unternehmens, Boston Metal do Brasil, unterstützen.

Boston Metal ist nach eigener Einschätzung auf dem besten Weg, seine ersten hochwertigen Metalle im Jahr 2024 auszuliefern, und rechnet damit, MOE bis 2026 auf den Stahlmarkt zu bringen und damit der Industrie zu helfen, die Netto-Null-Verpflichtung für 2050 zu erreichen.

(Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 19. Juli 2020. Die letzte Überarbeitung erfolgte am 3. Dezember 2023)

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% S Kommentare
  1. Luizcruz sagt

    Das ist ein richtig guter Artikel geworden. Das Tadeo Carneiro der Ex-Ceo CBMM, wusste ich noch nicht. Das erklärt die Gründung von Boston Metal do Brasil — https://www.bostonmetal.com/brasil/ -, wobei Brasilien durch seine vielen abgetrennten Stoffflüsse der Erzaufbereitung ein reiches Betätigungsfeld bietet.

    Ich bin ein großer Fan von Donald Sadoway. Exzellente Vorlesungen. Da geht Elektrochemie rein, wie mit Schaufel.

    (Im Original sagte das ein russischer Student über die Vorlesungen des jungen Wilhelm Ostwald, 1909 Nobelpreis für Chemie, der wie Friedrich Kohlrausch um 1900 das Solarzeitalter vorhersah. Beide wurden allerdings von Marcellin Berthelot weit übertroffen, der bereits 1894 Tony Seba Rethink Texte von 2017 vorwegnahm!)

    Sadoway ist der brillanteste Elektrometallurge unserer Zeit. Mit Markus Reuter, der heute bei SMS Group ist. Trotzdem denke ich das die molten oxide electrolysis ein Handicap hat. Die Schmelzphase. Deshalb ist der Reaktor im Gegensatz zum Lichtbogenofen ähnlich dem Hochofen ein kontinuierliches Aggregat, das mehr als 8000 h/a Elektrizität verbraucht.
    Da ist meiner Meinung nach Electra Steel im Vorteil. Die Niedrigtemperatur-Elektrolyse verträgt eher die Teillast als die molten oxide electrolysis.

    Wenn ich mich bei Boston Metals irre, um so besser.

    1. Martin Jendrischik sagt

      Danke für den Hinweis auf Electra in den Kommentar und „drüben“ bei Hans-Werner Sinn. Diese Lösung kannte ich wiederum noch nicht. Ich bräuchte eine Redaktion aus 5-7 Fachjournalisten mit unterschiedlichem Blickwinkel, um alle Facetten der Transformation mitzubekommen.

      Gut, dass der erwähnte Tony Seba das alles so weit herunterbricht, dass man sich im Kern auf 12 Technologien konzentrieren kann. Was an Disruption passieren wird, ist atemberaubend.

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