Innovation Höhenwindrad: Deutschlands Sprung in die Zukunft der Windenergie?
Leipziger beventum und Dresdner GICON bauen das größte Windrad der Welt in der brandenburgischen Lausitz.
In der Strukturwandelregion Lausitz entsteht das erste Höhenwindrad überhaupt. Das 360 Meter hohe Monstrum ist ein Symbol für Deutschlands Willen zur Innovation für die Energiewende. Am 19. September 2024 war die Grundsteinlegung – im Sommer 2025 soll die einzigartige Stahlkonstruktion erstmals Windenergie ernten. Aufgrund der Höhe bieten sich potenziell viele Vorteile: Höhere Windgeschwindigkeiten und konstantere Windrichtungen. Ist das Konzept der Leipziger beventum GmbH Deutschlands Sprung in die Zukunft der Windenergie?
„Deutschland braucht eine Willkommenskultur für Innovation„, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm zuletzt bei einem Impulsforum in Südwestfalen. Rund um Klettwitz in Brandenburg gibt es diese Willkommenskultur. Denn dort baut die tief verwurzelte Dresdner GICON das Höhenwindrad, das Maßstäbe setzen soll. Widerstände aus der Bevölkerung gab es keine – auch, weil die Bewohner von Anfang an informiert und mit einbezogen wurden.
Die Geschichte des Höhenwindrads beginnt aber nicht in der Lausitz, sondern in Leipzig beim Ingenieur Horst Bendix, der bis zu seinem Tod im Juni 2023 von seiner Idee überzeugt war: Windräder einfach höher zu bauen, um die stärkeren und stetigeren Winde in großen Höhen zu nutzen. Seine Dreibein-Konstruktion, die den klassischen Aufbau von Windkraftanlagen revolutionierte, ermöglichte erstmals solche Höhen.
Bendix‘ Vision wurde vom Leipziger Cleantech-Unternehmen beventum, einer Tochtergesellschaft der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND), aufgegriffen und weiterentwickelt. „Das erste Höhenwindrad ist ein echter Meilenstein in der Windenergie und ein Aushängeschild für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, betont Dr. Martin Chaumet (linkedin), Geschäftsführer der beventum.
Höhenwindrad: Von der Idee zur Realität
Die Umsetzung des Projekts übernahm GICON, die bereits Erfahrung mit Höhenwindrädern hatte. Am 19. September 2024 folgte in der Lausitz die Grundsteinlegung für das weltweit höchste Windrad. „Innovationen gefördert durch den Bund werden Realität in Brandenburg. Die Höhenwindanlagen sind ein leuchtendes Beispiel dafür“, sagte Wirtschafts-Staatssekretär Michael Kellner bei der Veranstaltung.
.Zuvor wurde dort der weltweit höchste Windmessturm errichtet, um aus den dort gesammelten Daten Rückschlüsse auf die Konstruktion der Höhenwindkraftanlage ziehen zu können.
Mit einer Nabenhöhe von 300 Metern und einer Gesamthöhe von rund 360 Metern wird das Höhenwindrad mehr als doppelt so viel Energie erzeugen wie herkömmliche Windkraftanlagen. „Der Wind hat in dieser Höhe nicht nur höhere Mittelwerte, sondern auch eine breitere Verteilung, was zu deutlich mehr Volllaststunden bei Windenergieanlagen in dieser Höhe führt“, sagt GICON-Geschäftsführer Jürgen Großmann. Das sei vergleichbar mit Offshore-Anlagen auf See, „aber bei Onshore-Betriebsverhältnissen. Das heißt, die Kosten bei der Errichtung und Wartung sind deutlich geringer, was sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit auswirkt.“
Anders als vom Leipziger Ingenieur Bendix vorgesehen, werden die Generatoren bei der Brandenburger Pilotanlage nicht am Fuß des Turms stehen, sondern oben in der Nabe, so wie man das von allen Anlagen kennt. Statt drei Beinen gibt es vier. Völlig neu ist auch die Konstruktion mit einem inneren und äußeren Turm: Damit lässt sich die Turbine, die auf dem inneren, beweglichen Teil befestigt ist, bis auf eine Höhe von 300 Metern ausfahren.
Sprunginnovation „Made in Germany“
Das Höhenwindrad könnte eine sogenannte Sprunginnovation sein, die bestehende Technologien grundlegend verändert und neue Märkte erschließt. Weltweit gibt es unzählige Binnenwindstandorte, die mit der neuartigen Windkraftanlage erheblich mehr Energie erzeugen können als bislang mit herkömmlichen Turbinen. Sicherlich nicht auf Anhöhen oder dort, wo ohne Widerstände vorhanden sind – dafür aber beispielsweise ideal für die ehemaligen Kohleregionen.
Der zweite Windmessturm entsteht auf RWE-Gelände im Rheinischen Revier. Hier könnte die nächste GICON-Höhenwindkraftanlage entstehen. Künftig können die Standorte über LIDAR-Sensorik vom Boden aus ausgemessen werden.
Einschätzung von Cleanthinking-Gründer Martin Jendrischik
Das Höhenwindrad in Brandenburg ist ein Symbol für Deutschlands Willen zur Innovation und seinen Beitrag zur Energiewende. Mit dieser potenziellen Sprunginnovation kann das Land zu einem Vorreiter für eine neue Phase der Onshore-Windkraft werden. Gerade, um gegenüber China wettbewerbsfähig zu sein. Der Prototyp wird aber zunächst viel teurer als klassische Windkraftanlagen, weil deutlich mehr Stahl verbraucht wird. Die findigen Ingenieure bei GICON, biventum oder SPRIND haben aber bereits Ideen, diese Nachteile zu beheben.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.