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10 Jahre Pariser Klimaabkommen: Technologie als Lösung, nicht als Problem
Null-Grenzkosten statt Degrowth: So haben sich Klimaaktivisten und Staatslenker verschätzt
Als sich im Dezember 2015 fast 200 Staaten auf das Pariser Klimaabkommen einigten, waren die Erwartungen bescheiden. Klimaaktivisten setzten auf Degrowth und Verzicht, Staatslenker auf langsame, kontrollierte Veränderungen. Niemand ahnte, dass ausgerechnet die von vielen gefürchtete „kapitalistische“ Technologie zur stärksten Kraft im Kampf gegen die Klimakrise werden würde. 10 Jahre später zeigen die Zahlen eine verblüffende Realität: Alle Prognosen von 2015 wurden dramatisch übertroffen – nach oben.
Die Internationale Energieagentur (IEA) lag bei Solar um bis zu 1.500 Prozent daneben, bei Elektrofahrzeugen um 40 Prozent. Was niemand vorhergesehen hatte: Solar, Wind und Batterien sind disruptive Innovationen. Ihre Entwicklung verläuft exponentiell, nicht linear.
„Wachstum ist das Problem“ – so lautete der Grundkonsens der Klimabewegung um 2015. Die Degrowth-Bewegung gewann massiv an Momentum. 2014 etwa kamen rund 3000 Teilnehmer zur großen Degrowth-Konferenz nach Leipzig. Das Credo: Nur eine „geplante Reduktion der materiellen Durchflussrate der Wirtschaft“ könne soziale und ökologische Nachhaltigkeit sichern.
Technologie galt als Teil des Problems, nicht der Lösung. Umweltgruppen, obwohl am meisten über den Klimawandel besorgt, „opponierten manchmal gegen viele innovative Technologien und Institutionen, die Teil der Lösung für die Herausforderungen des Klimawandels sein könnten“, warnten Forscher bereits damals.
Die Degrowth-Bewegung war überzeugt: Eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und CO₂-Emissionen sei unmöglich – und schon gar nicht in der Geschwindigkeit, die nötig wäre, um innerhalb planetarer Grenzen zu bleiben.
Mit der Degrowth-Bewegung hat sich auch Adam Doerr von RethinkX in seinem aktuellen Buch „The Degrowth Delusion“ beschäftigt (Provisions-Link):
Die Exponentialkurven, die niemand sah
Die Realität widerlegte diese Annahmen spektakulär. In den zehn Jahren vor Paris deckten fossile Brennstoffe noch 68 Prozent des globalen Strombedarfswachstums ab. Im Jahrzehnt danach haben Erneuerbare bereits 67 Prozent des Zuwachses gedeckt – obwohl der weltweite Strombedarf schneller stieg als je zuvor. Das zeigen die neuen Daten der Energy & Climate Intelligence Unit zu 10 Jahre Pariser Klimaabkommen.
Die Zahlen sind atemberaubend: 2024 installierte die Welt 553 Gigawatt Solarleistung – das übertrifft die IEA-Prognose von 2015 um mehr als 1500 Prozent. Die globale Solarkapazität verdoppelt sich alle drei Jahre – viermal schneller als einst vorhergesagt.
Auch bei Elektrofahrzeugen lag die Realität weit über den Erwartungen: 2024 wurden rund 17 Millionen E-Autos verkauft – etwa 40 Prozent über den damaligen IEA-Prognosen. Bis 2030 dürfte der Anteil doppelt so hoch sein wie ursprünglich angenommen.
Parallel dazu explodierten die Investitionen: 2025 fließen laut IEA rund 2,2 Billionen US-Dollar in saubere Energien – doppelt so viel wie in fossile Brennstoffe.
Sebas Revolution: Systemwandel durch Überfluss
Was die Degrowth-Bewegung fundamental übersah, erkannte der Disruptionsforscher Tony Seba früh: Echte Veränderung entsteht nicht durch moralische Appelle oder politischen Zwang, sondern durch bessere, billigere, bequemere Alternativen.
Seine These am Beispiel der Mobilität: Wenn die Konvergenz von on-demand, autonom und elektrisch eintritt, „werden die Kosten pro Meile für Transport um das Zehnfache sinken – von etwa einem Dollar auf zehn Cent.“ Solche Disruptionen, sagt Seba, geschehen aus rein wirtschaftlichen Gründen: „Jedes Mal, wenn wir eine Zehnfach-Kostenreduktion erlebt haben, folgte eine Disruption – und zwar sehr schnell.“
Das Faszinierende: Transport-as-a-Service erreicht alle Degrowth-Ziele – weniger Autobesitz, weniger Ressourcenverbrauch, weniger Emissionen. Doch nicht durch Verzicht, sondern durch Überfluss: Bei einem Zehntel der Kosten konsumieren Menschen mehr Mobilität, nicht weniger. Der Systemwandel passiert – aber er fühlt sich nicht wie Opfer an, sondern wie das größte Upgrade der Geschichte. Mehr zu Mobility as a Service.
Die bittere Ironie der Geschichte
Zehn Jahre nach Paris erleben wir die vielleicht größte Ironie der Klimageschichte: Ausgerechnet exponentielles Wachstum löst die Klimakrise – oder trägt zumindest besonders intensiv dazu bei.
Die vermeintlich „kapitalistische“ Lösung – Marktmechanismen, die exponentielle Kostensenkungen ermöglichen – hat mehr für den Klimaschutz bewirkt als alle Appelle zum Verzicht. Die Degrowth-Bewegung wollte weniger Konsum, weniger Mobilität, weniger Energieverbrauch. Null-Grenzkosten-Technologien erreichen genau das – aber durch Abundance statt Scarcity, durch Überfluss statt Mangel.
Wenn Energie, Transport und Nahrung nahezu kostenlos werden, kollabiert automatisch die „unaufhörliche Ausbeutung von Pflanzen, Tieren und Planeten“, wie Seba es formuliert.
Die Klimaaktivisten von 2015 lagen in einem Punkt richtig: Es brauchte einen Systemwandel.
Sie lagen nur falsch darin, wie er geschehen würde – nicht durch geplante Schrumpfung, sondern durch ungeplantes exponentielles Wachstum der Lösungstechnologien.

10 Jahre Pariser Klimaabkommen: Die Lehren für die Welt
Unterschätze niemals die Macht exponentieller Kurven. Und vertraue darauf, dass Menschen immer die bessere, billigere, bequemere Alternative wählen – wenn sie existiert.
Die Aufgabe ist nicht, Verzicht zu predigen, sondern Lösungen zu skalieren. Denn wer die Technologie versteht, erkennt: Der wahre Systemwandel beginnt nicht mit Verboten, sondern mit sinkenden Grenzkosten.
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