Mannheim geht beim Gasnetz-Aus voran / Bild von Bruno auf Pixabay
19 Prozent der Stadtwerke setzen auf Gasnetz-Aus
Während ein Fünftel der Stadtwerke bis 2045 stilllegt, zögern 46 Prozent wegen fehlender Regeln – Mannheim zeigt, wie drängend politische Klarheit ist.
Rund 19 Prozent der deutschen Stadtwerke planen, ihre Gasnetze bis 2045 stillzulegen – und setzen stattdessen auf Fernwärme oder Wärmepumpen. Doch fast die Hälfte der Versorger zögert mit dem Gasnetz-Aus. Der Grund: Rechtsunsicherheit, fehlende Investitionsanreize und soziale Risiken bremsen die Wärmewende aus. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU). Der Verband fordert ein Maßnahmenpaket mit Umstellbonus und Rückbaukonto. Die Stadt Mannheim geht bereits voran – und trifft auf Widerstand.
Die Umfrage des VKU unter 164 Stadtwerken (Rücklaufquote: 26,9 Prozent) zeigt ein heterogenes Bild: 19 Prozent planen die vollständige Stilllegung ihrer Gasnetze, 15 % streben einen Mix aus Rückbau und Umrüstung auf grüne Gase an – etwa für KMU. Nur 4 Prozent wollen ihr Netz vollständig auf Wasserstoff umrüsten. 8 Prozent besitzen kein eigenes Gasnetz. Der größte Block – 46 Prozent – hat noch keine Strategie entwickelt.
Ein Grund: Die aktuelle Gesetzeslage verpflichtet Versorger weiterhin, neue Gasanschlüsse zu genehmigen – obwohl das fossile Aus langfristig feststeht. Gleichzeitig fehlen klare Regelungen für Stilllegung, Rückbau oder Umrüstung.
„Die Mehrheit der Stadtwerke hängt in der Luft – und mit ihnen rund 1,4 Millionen Gewerbekunden“, sagt VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. Er warnt vor sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen, wenn klare gesetzliche Rahmenbedingungen weiter ausbleiben. Ohne politische Steuerung des Gasnetz-Aus drohe ein Auseinanderdriften der Wärmepfade – und eine Belastung derjenigen, die nicht aus dem Gasnetz aussteigen können.
Denn je mehr Kundinnen und Kunden frühzeitig aussteigen, desto höher werden die Netzentgelte für die Verbleibenden – darunter vor allem Mieter*innen sowie kleine und mittlere Unternehmen, die auf Gasprozesse angewiesen sind. Der VKU fordert daher ein Maßnahmenpaket: Ein Umstellbonus soll freiwillige Ausstiege fördern. Ein Gasnetzkompensationskonto könnte Rückbaukosten abfedern. Zudem sollten Eigentümer stillgelegte Leitungen dulden müssen, um Rückbaukosten zu senken.
Rechtsunsicherheit erschwert Gasnetz-Aus der Stadtwerke
Zugleich verschärft die Rechtsunsicherheit das Problem: Die vorhandenen Gasnetze wurden für jahrzehntelangen Betrieb gebaut. Doch es fehlt an gesetzlichen Regelungen für Rückbau, Zuständigkeiten und Fristen – ebenso wie an einer Finanzierungsperspektive für die Umrüstung auf Wasserstoff im Verteilnetz. Das geplante Wasserstoffkernnetz konzentriert sich auf den Ferntransport, nicht auf die kommunale Ebene.
Wie dringend Klarheit ist, zeigt Mannheim: Der städtische Energieversorger MVV plant, ihr Gasnetz bereits bis 2035 stillzulegen – zehn Jahre früher als die meisten. Der Vorstoß ist ambitioniert, trifft aber auf Widerstand. Bürgerinitiativen befürchten hohe Kosten und fehlende Alternativen, insbesondere in unsanierten Bestandsgebäuden. Solche Konflikte drohen auch in anderen Städten, wenn es bei lokalen Einzelentscheidungen ohne Bundesrahmen bleibt.
Gleichzeitig zeigt der Rückbau auch Chancen: Mit klaren Regeln und gezielten Investitionen könnten Stadtwerke zu Treibern der Wärmewende werden – und neue Cleantech-Märkte erschließen. Grüner Wasserstoff könnte perspektivisch für KMU oder Fernwärmesysteme relevant werden. Der VKU verweist auf Erfolge in anderen Bereichen: In der Abfallwirtschaft seiner Mitgliedsunternehmen wurden bereits 78 Prozent der CO₂-Emissionen eingespart – ein Indiz für die Transformationsfähigkeit, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
Stadtwerke sind bereit zur Transformation
Die Ergebnisse der Umfrage zum Gasnetz-Aus zeigen: Viele Stadtwerke sind bereit zur Transformation – doch ihnen fehlen Sicherheit, Investitionsklarheit und politische Rückendeckung. Die Bundesregierung ist gefragt, noch 2025 einen verlässlichen Rahmen zu schaffen. Ein Umstellbonus und ein Rückbaukonto könnten helfen, soziale Schieflagen zu vermeiden,
Investitionen zu mobilisieren und die Wärmewende fair voranzutreiben. Ohne diese Instrumente droht ein Flickenteppich – mit unklaren Folgen für Verbraucher*innen, Versorger und den Industriestandort.
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