
Klimamigration: Millionen auf der Flucht im eigenen Land
Was ist Klimamigration?
Klimamigration bezeichnet die Zwangs- oder freiwillige Wanderung von Menschen, die durch Umweltveränderungen infolge des Klimawandels ausgelöst wird – etwa durch Dürren, Überschwemmungen, Hitze oder Meeresspiegelanstieg.
Diese Form der Migration kann temporär oder dauerhaft sein und betrifft häufig Menschen in besonders vulnerablen Regionen. Sie ist nicht immer gleichzusetzen mit Flucht – sondern umfasst auch Anpassungsstrategien, etwa den Umzug in weniger gefährdete Gebiete.
Die Zahl der Binnenvertriebenen hat sich in zehn Jahren verdoppelt – Klimawandel wird zur globalen Fluchtursache. Die deutsche Migrationsdebatte wirkt daneben engstirnig.
Klimamigration ist eine übersehene Krise: Über 83 Millionen Menschen waren 2024 innerhalb ihres Heimatlandes auf der Flucht – doppelt so viele wie vor zehn Jahren, laut Greenpeace. Der Bericht „Klimawandel, Migration und Konflikt“ zeigt: Immer häufiger zwingen Extremwetter, Hitze und schleichende Umweltveränderungen Menschen zur Flucht. Die Klimakrise wird zur strukturellen Fluchtursache. Was bedeutet das für Europa?
Klimamigration: Begriffe, Formen und Mechanismen
Was unter dem Schlagwort „Klimaflucht“ oft verkürzt wird, ist in Wirklichkeit ein vielschichtiges Phänomen. Die Greenpeace-Studie unterscheidet zwischen kurzfristiger Vertreibung durch Katastrophen wie Stürme oder Überschwemmungen, langfristiger Migration infolge schleichender Umweltveränderungen wie Dürre oder Meeresspiegelanstieg sowie geplanter Umsiedlung und unfreiwilliger Immobilität. Letzteres betrifft Menschen, die trotz akuter Gefährdung nicht fliehen können, weil ihnen Mittel oder Fluchtwege fehlen.
Der Klimawandel wirkt dabei nicht isoliert, sondern verstärkt bestehende Krisen – etwa wenn Dürreperioden in ohnehin politisch instabilen Regionen zu zusätzlicher Migration führen. Die Mehrzahl der 2024 dokumentierten Fluchtbewegungen geschah in Regionen, die zugleich unter Armut, schwacher Infrastruktur oder bewaffneten Konflikten leiden.
Lesen Sie auch mehr zu Klimawandel-Folgen und Ursachen im Beitrag „Was ist Klimawandel?“.
83 Millionen Binnenvertriebene: Die Zahlen hinter dem Begriff
Laut Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) gab es 2024 rund 45,8 Millionen neue Vertreibungen durch Naturkatastrophen und 20,1 Millionen durch Gewaltkonflikte. Die Gesamtzahl der Menschen, die als Binnenvertriebene gelten, stieg damit auf 83,4 Millionen. Noch 2014 lag sie bei knapp 40 Millionen. Der Anstieg ist dramatisch – und macht sichtbar, was oft ignoriert wird: Die meisten Vertriebenen leben nicht in Europa, sondern in ihren Herkunftsländern oder Nachbarstaaten. Und sie fliehen nicht primär vor Krieg, sondern vor dem Klima.
Ein markantes Beispiel liefert der indische Bundesstaat Assam: Dort zwingen Überschwemmungen, ausgelöst durch die Himalaya-Schneeschmelze und Starkregen, immer mehr Menschen zur Flucht. Mit jeder Vertreibung schrumpfen ihre Ressourcen und ihre Widerstandskraft. In Bangladesch, einem der am dichtesten besiedelten Staaten der Welt, ist die Lage ähnlich prekär. Hier treffen Naturkatastrophen auf Armut und hohe Bevölkerungsdichte – ein toxischer Mix für millionenfache Klimamigration.
Ein weiteres Beispiel liefert der ZDF-heute journal Podcast mit Christian Sievers: In Spanien verändert sich die Wahrnehmung ganzer Regionen. Während Madrid von vielen inzwischen als „Wüste“ erlebt wird, ziehen immer mehr Menschen in den bislang als regenreich verschrienen Norden – etwa nach Santander. Sievers beschreibt, wie sich die Lebensrealität in Spanien durch klimabedingte Hitze verschiebt – ein Beispiel für innerstaatliche Klimamigration innerhalb Europas, getrieben von Temperaturextremen, Wasserknappheit und Lebensqualität.
Was bedeutet das für Europa?
Die politische Debatte in Deutschland und Europa fokussiert sich auf wenige hunderttausend Asylanträge im Jahr – während weltweit über 80 Millionen Menschen innerhalb ihres Landes vertrieben werden. Greenpeace warnt: Noch sind es meist Binnenvertriebene – also Menschen, die ihre Heimatregion verlassen mussten, ohne eine internationale Grenze zu überschreiten. Doch mit zunehmender Unbewohnbarkeit ganzer Regionen steigt der Druck, Grenzen zu überschreiten.
Ohne konsequenten Klimaschutz und massive Unterstützung bei der Anpassung in besonders betroffenen Regionen droht ein Szenario wachsender Instabilität.
Der Bericht fordert: Industriestaaten müssen Verantwortung übernehmen – nicht nur durch Emissionsminderung, sondern auch durch Anpassungsfinanzierung, technische Hilfe und die Ermöglichung sicherer Migrationswege.
Fazit: Eine vergessene Krise mit Sprengkraft
Klimamigration ist kein Zukunftsszenario, sondern globale Realität. Die Zahl der Binnenvertriebenen steigt rapide, die Ursachen sind vielfach menschengemacht. Wer über Fluchtursachen spricht, darf den Klimawandel nicht länger ausklammern. Die Greenpeace-Studie liefert die Fakten, die europäische Politik hinkt hinterher.
Wenn die Welt eine „saubere Zukunft“ will, braucht es jetzt nicht nur CO2-Reduktion, sondern auch globale Solidarität, um Klimamigration zu reduzieren. Noch ist dieses Problem eines der Nationalstaaten. Bald schon dürfte es eines sein, das ganze Kontinente angeht. Nur so lässt sich verhindern, dass aus Binnenmigration eine globale Fluchtbewegung wird.
Lesetipp zur Klimamigration: Buch aus dem Jahr 2023

„Klimamigration: Wie die globale Erwärmung Flucht und Migration verursacht“ von Benjamin Schraven kann man hier bei Amazon bestellen (Provisions-Link).
Beschreibung zum Buch:
Die Folgen des Klimawandels sind nicht mehr zu übersehen – und in Europa hält sich hartnäckig die Angst, dass seine verheerenden Auswirkungen in naher Zukunft eine gigantische Flüchtlingswelle anstoßen werden. Aber was wissen wir wirklich über die Auswirkungen der Erderwärmung auf Flucht und Migration? Benjamin Schraven erläutert, warum europäische Befürchtungen vor Millionen von »Klimaflüchtlingen« aus Teilen Afrikas oder Asiens viel mehr einer verzerrten Wahrnehmung als einer tatsächlichen Problemanalyse entspringen. Er stellt jedoch klar: Die Klimamigration ist ein virulentes Thema, mit dem Politik, Gesellschaft und Medien einen anderen Umgang finden müssen.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.