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Benzin aus Luft: Aircela verspricht sauberen Kraftstoff ohne Umbauten – aber ist das mehr als eine clevere Zwischenlösung?

Cleantech-Startup aus New York will fossile Kraftstoffe ersetzen – schnell, lokal und ohne Umbauen.

Die Sonne scheint auf die Backsteinfassade, das Empire State Building ragt im Hintergrund über die Skyline. Auf einem Dach im Garment District haben sich Journalist*innen, Investoren und Politiker bei der Präsentation von Aircela versammelt. Im Zentrum steht ein sechseckiges Gerät, das aussieht wie eine Designstudie für urbane Kunst. Doch es ist mehr als das: eine Maschine, die Benzin produziert. Aus Luft, Wasser und erneuerbarem Strom.

Das Cleantech-Startup Aircela hat sie gebaut. Die Vision: CO2 direkt aus der Atmosphäre abscheiden, mit grünem Wasserstoff kombinieren, synthetisches Benzin erzeugen – lokal, dezentral, sofort nutzbar in bestehenden Motoren. Bei der Premiere füllt Mitgründer Eric Dahlgren den goldgelben Kraftstoff direkt aus der Maschine in eine Glasflasche. Symbolisch, sichtbar, marktreif.

Die Idee: Fossile Brennstoffe ersetzen, ohne alles zu verändern

„Unser Ziel ist es, fossile Kraftstoffe so schnell wie möglich zu ersetzen“, erklärt Dahlgren. Das Versprechen: keine Infrastrukturumbauten, keine neuen Fahrzeuge, keine Verhaltensänderung. Die Aircela-Maschine produziert bis zu vier Liter synthetisches Benzin pro Tag, bindet dabei rund 10 Kilogramm CO2. Der erzeugte Kraftstoff ist schwefel- und ethanolfrei und kann direkt in jedem Ottomotor eingesetzt werden.

Gedacht ist das System für Haushalte, Unternehmen, Inselstaaten oder abgelegene Regionen – überall dort, wo Elektrifizierung schwer umsetzbar ist. Erste Serienmodelle sollen 15.000 bis 20.000 US-Dollar kosten, mit fallenden Preisen bei wachsender Produktion. „Wir richten uns an Early Adopters, die bereit sind, für Klimaschutz einen grünen Aufpreis zu zahlen.“

Benzin aus Luft: Die Maschine soll 10 Kilogramm CO2 pro Tag binden

Technische Eleganz trifft physikalische Grenzen

Was technologisch fasziniert, wirft auf systemischer Ebene Fragen auf. Denn trotz erneuerbarem Strom und CO2-Recycling bleibt der Wirkungsgrad niedrig. Während Batterie-Elektroautos 80 bis 90 Prozent der eingesetzten Energie in Bewegung umwandeln, schaffen synthetische Kraftstoffe im besten Fall 10 bis 15 Prozent. Der Großteil der Energie geht für CO2-Abscheidung, Elektrolyse und Synthese verloren.

Hinzu kommt: Auch synthetisches Benzin wird verbrannt. Dabei entstehen weiterhin Stickoxide, Feinstaub und lokale Emissionen – keine Option für eine emissionsfreie Stadt von morgen. Die Maschine mag klimaneutral im CO2-Kreislauf sein, sauber ist sie deshalb noch lange nicht.

Blick ins Innere der Maschine von Aircela

Marktchancen zwischen Nische und Brückentechnologie

Und doch gibt es Einsatzfelder, in denen Aircelas Ansatz sinnvoll sein kann. Dort, wo Infrastruktur fehlt. Dort, wo Umrüstung zu teuer oder komplex ist. Oder dort, wo synthetischer Kraftstoff regulatorisch gefordert wird – etwa im Flugverkehr oder für Bestandsschiffe. Aircela meldet große Nachfrage: Von Reedereien, Autoherstellern, Kettensägenproduzenten, Inselstaaten. Auch Methanol als Produktvariante ist vorgesehen.

Die Maschine ist modular, skalierbar, schnell installierbar. Und sie liefert ein emotional starkes Bild: Die alte Welt bleibt sichtbar, wird aber sauberer. Vielleicht ist das ihr eigentlicher Wert: als Übergangstechnologie, die Klimaschutz ermöglicht, während die Elektromobilität zur Massenlösung wird.

Denn eines ist absehbar: Elektromobilität wird auf Sicht unschlagbar billig. Sie nutzt Strom direkt, ohne Umwege über Moleküle. Sie senkt Betriebskosten, reduziert Emissionen lokal wie global. Wer langfristig denkt, wird nicht beim synthetischen Benzin stehenbleiben.

Die Maschine von Aircela ist auf eine Lebensdauer von 10 Jahren ausgelegt – bis dahin haben sich Elektroautos vollständig durchgesetzt, gerade bei Flottenbetreibern, die deren Vorteile besonders gut ausnutzen können.

Ein spannender Baustein – aber kein Systemwandel

Aircela liefert eine clevere Antwort auf eine schwierige Frage: Wie dekarbonisiert man einen Bestand, den man nicht einfach abschalten kann? Die Lösung: Man ersetzt den fossilen Kraftstoff durch einen klimaneutralen. Das ist sinnvoll, pragmatisch – aber nicht effizient. Doch klassische E-Fuel-Konzepte, die auf große Skalierung setzen, scheitern derzeit reihenweise. Kann eine kleine Maschine da wirklich mehr bewirken?

Als Nischenlösung hat das Konzept übergangsweise wahrscheinlich Potenzial – das zeigt auch die große Nachfrage, von der das Unternehmen spricht. Als Brücke bis zur vollen Elektrifizierung kann es ebenfalls hilfreich sein – als pragmatische Zwischenlösung. Aber nicht als langfristige Hauptlösung für den Verkehrssektor. Dafür sind Energieverluste, Kosten und Emissionen zu hoch. Die Maschine ist bereit. Die Zukunft liegt trotzdem woanders.

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