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Deutschlandticket: Klimawirkung gut, soziale Wirkung fragil
Index als Preisbremse: Was sich ab 2027 beim Deutschlandticket ändern soll – und was das Einheitsticket bewirkt
Ab 2027 soll ein neuer Preisindex die Entwicklung des Deutschlandtickets bestimmen. Die Verkehrsministerkonferenz hat beschlossen, dass künftige Preissteigerungen an Kostenfaktoren wie Personal und Energie gekoppelt werden, jedoch durch einen Dämpfungsfaktor gebremst bleiben sollen. Ziel: Vermeidung plötzlicher Preissprünge wie zuletzt. Der Preis des Deutschlandtickets steigt im Januar 2026 auf 63 Euro. Schon heute liegt er bei 58 Euro – Tendenz steigend. Wie sind die klimapolitischen und sozialen Auswirkungen des Deutschlandtickets?
Effektive Klimapolitik auf der Kippe
Das Deutschlandticket hat sich laut einer Ariadne-Metastudie als eine der effizientesten Klimamaßnahmen im Verkehrssektor erwiesen. Zwischen 12 und 16 Prozent aller mit dem Ticket unternommenen Fahrten ersetzen Fahrten, die sonst mit dem PKW zurückgelegt worden wären. Besonders relevant ist dabei, dass es sich dabei meist um längere Strecken handelt – im Durchschnitt etwa 30 Kilometer –, die typischerweise hohe CO2-Emissionen verursachen.
Durch diese Verlagerung vom motorisierten Individualverkehr auf den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr konnten im Jahr 2024 zwischen 4,2 und 6,5 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Der Autoverkehr ging um bis zu 5 Prozent zurück – ein signifikanter Effekt, der laut Ariadne-Analyse mit einer moderaten Erhöhung des CO2-Preises im zweistelligen Eurobereich vergleichbar ist. Doch im Gegensatz zu fiskalischen Lenkungsinstrumenten, die auf Verteuerung setzen, erzielt das Deutschlandticket seine Wirkung durch die Vergünstigung klimafreundlicher Mobilitätsangebote.
Damit wird ein neuer politischer Weg deutlich: Statt Verzicht und Belastung – wie etwa durch teureren Sprit – steht der Zugang zu günstiger, attraktiver Mobilität im Vordergrund. Dies erhöht die gesellschaftliche Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen erheblich. Doch die zunehmenden Ticketpreise drohen, diese Errungenschaft zu konterkarieren.
Wenn sich viele Bürgerinnen und Bürger das Ticket nicht mehr leisten können oder kündigen, verpufft die Lenkungswirkung. Die Gefahr: Eine preisgetriebene Erosion einer funktionierenden Klimapolitik.
Sozialpolitisches Missverständnis
Das Deutschlandticket wurde ursprünglich mit dem Anspruch eingeführt, Mobilität in Deutschland für alle bezahlbar, einfach und barrierearm zu gestalten. Es sollte insbesondere jenen helfen, die zuvor aufgrund hoher Kosten vom ÖPNV ausgeschlossen waren – etwa Menschen mit geringem Einkommen, Alleinerziehende, Studierende oder Beschäftigte im Niedriglohnsektor. Auch für Menschen im ländlichen Raum war das Versprechen klar: Ein Ticket für ganz Deutschland, das Planbarkeit und Teilhabe schafft.
Doch mit jeder Preissteigerung entfernt sich das Ticket ein Stück weiter von diesem Anspruch. Die jüngste Erhöhung zu Beginn des Jahres 2025 von 49 auf 58 Euro hat bereits messbare Auswirkungen gezeigt: Laut Marktforschung des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sank die Zahl der Nutzenden von 14,5 auf 13,4 Millionen. Eine Million Menschen hat also das Ticket aufgegeben – oft nicht freiwillig, sondern aus finanziellen Gründen.
Besonders betroffen sind dabei jene, die auf Bus und Bahn angewiesen sind, weil sie sich kein Auto leisten können oder aus gesundheitlichen, familiären oder ökologischen Gründen bewusst auf den ÖPNV setzen. Für sie ist das Ticket keine Wahlmöglichkeit, sondern eine Notwendigkeit. Sie haben kaum Spielraum, auf Preissteigerungen zu reagieren – außer mit Einschnitten an anderer Stelle im Haushaltsbudget.
Damit dreht sich der soziale Anspruch des Tickets ins Gegenteil: Wer finanziell flexibel ist, kündigt das Abo bei jeder Preiserhöhung und sucht sich Alternativen. Wer bleiben muss, zahlt mehr – oft überproportional zum eigenen Einkommen. Besonders prekär ist die Situation für Haushalte, die knapp über der Grenze zu staatlicher Unterstützung liegen: Sie fallen durch das Raster bestehender Sozialtarife, müssen aber dennoch steigende Mobilitätskosten stemmen.
Ohne gezielte soziale Ausgleichsmechanismen und eine gedeckelte Preisentwicklung droht das Deutschlandticket, ausgerechnet jene auszuschließen, für die es einst gedacht war.
Verteilungswirkungen im Fokus
Der Ariadne-Report zeigt: Die größte verkehrs- und klimapolitische Wirkung des Deutschlandtickets entsteht bei Menschen, die vor der Einführung des Tickets nur gelegentlich mit dem ÖPNV unterwegs waren. Es handelt sich um eine Nutzergruppe mit häufigem Autozugang, die durch das Deutschlandticket dazu motiviert wurde, ihre Mobilitätsgewohnheiten grundlegend zu ändern. Diese Personen legen nun im Schnitt mehr als 20 ÖPNV-Fahrten pro Monat zurück – ein bedeutender Wandel im Alltag, der konkrete Emissionsreduktionen zur Folge hat.
Entgegen der oft bemühten „Neukundenquote“ – die unter 5 Prozent liegt – ist also nicht der Einstieg völlig neuer ÖPNV-Nutzer:innen ausschlaggebend, sondern die Mobilitätsverlagerung innerhalb einer flexiblen, bislang kaum gebundenen Nutzergruppe. Diese sogenannten Neu-Abonnent:innen ohne vorherige Zeitkarte machen inzwischen über die Hälfte der Ticketbesitzenden aus – und tragen rund drei Viertel der Pkw-Verlagerungseffekte.

Dabei ist genau diese Gruppe besonders preisempfindlich. Anders als klassische Abo-Kund:innen haben sie ein Auto zur Verfügung und können bei Preissteigerungen rasch wieder zur alten Mobilitätsroutine zurückkehren. Steigt der Preis weiter, besteht laut Ariadne-Report die reale Gefahr, dass ausgerechnet die effizienteste Zielgruppe wieder abspringt – und das Ticket seine Lenkungswirkung verliert.
Im Ergebnis droht eine soziale und ökologische Schieflage: Übrig bleiben primär Menschen, die auf den ÖPNV angewiesen sind – wie Schüler:innen, Auszubildende oder einkommensschwache Haushalte. Für diese Gruppen ist das Ticket zwar wichtig, doch ohne Pkw-Alternative entsteht keine Emissionsvermeidung. Das Deutschlandticket würde so zu einem sozial selektiven Angebot, das zwar Teilhabe ermöglicht, aber klimapolitisch ausblutet.
Ein bezahlbarer Preis ist daher keine Nebensache, sondern zentrale Voraussetzung für die Effektivität des Tickets – sozial wie ökologisch.
Klimaziele 2030: Mehr als Symbolpolitik nötig
Trotz aller Erfolge reicht die Wirkung des Tickets allein nicht: Um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen, müssten die Emissionen bis 2030 auf maximal 85 Millionen Tonnen CO2 jährlich sinken. 2024 lagen sie noch bei 143,1 Millionen Tonnen. Das Ticket leistet einen wertvollen Beitrag – aber nur, wenn es dauerhaft attraktiv bleibt.

Preisstabilität beim Deutschlandticket ist Klimapolitik
Das Deutschlandticket ist eine der kosteneffizientesten Klimamaßnahmen Deutschlands. Jeder investierte Euro spart nicht nur CO2, sondern bringt auch Wohlfahrtsgewinne – durch verringerte Umwelt- und Gesundheitskosten, durch bessere Erreichbarkeit von Arbeitsplätzen und durch mehr soziale Teilhabe. Studien wie der Ariadne-Report belegen, dass die volkswirtschaftlichen Nutzen die öffentlichen Kosten übersteigen.
Damit gilt: Wer das Deutschlandticket verteuert, spart kurzfristig in den Haushalten – verliert aber langfristig an Klimaschutz, Lebensqualität und sozialer Gerechtigkeit. Der ab 2027 geplante Index zur Preisregulierung ist ein Schritt in die richtige Richtung, weil er Transparenz schafft und Preissprünge dämpfen kann.
Personal-, Energiekosten und allgemeine Kostensteigerungen sollen in einem Zeitraum von drei bis zu fünf Jahren abgebildet werden. Geplant ist zudem ein „Dämpfungsfaktor“, um einen attraktiven Ticketpreis zu erhalten. Die konkreten Details sollen laut Vorlage auf der Verkehrsministerkonferenz im Frühjahr 2026 beschlossen werden.
Doch der Preisindex alleine reicht nicht.
Notwendig ist ein politisches Bekenntnis zur dauerhaften Finanzierung eines günstigen, bundesweiten Tickets. Nur so kann das Deutschlandticket seine doppelte Wirkung – als soziale Innovation und als klimapolitisches Instrument – entfalten. Wer es ernst meint mit der Verkehrswende, braucht mehr als Infrastruktur und Technologie: Er braucht stabile, sozial gerechte Rahmenbedingungen.
Das Deutschlandticket ist nicht das Ziel, aber ein zentraler Baustein auf dem Weg zu einer sauberen, gerechten Mobilität bis 2030 und darüber hinaus.