Werbung

Scheitert Reiches Industriestrompreis an Brüssel?

Das Handelsblatt berichtet über eine Verschlussvorlage, die es in sich hat.

Mit dem Industriestrompreis will Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) die energieintensive Industrie in Deutschland entlasten – doch das Projekt steht offenbar auf der Kippe. Wie das Handelsblatt berichtet, warnt eine interne Verschlussvorlage aus Reiches Ministerium vor massiven beihilferechtlichen Hürden. Der Preisnachlass für Strom sei in Brüssel politisch wie juristisch hoch umstritten – und droht an der EU-Kommission zu scheitern.

Technologie: Was steckt hinter dem Industriestrompreis?

Der Industriestrompreis soll Unternehmen mit besonders hohem Strombedarf vor der Deindustrialisierung schützen. Konkret plant die Bundesregierung einen gedeckelten Preis von 5 Cent je Kilowattstunde – deutlich unter dem aktuellen Marktniveau von rund 16 Cent. Anders als beim Marktpreis wären hier Netzentgeltvergünstigungen eingerechnet. Die Förderung soll bis 2035 laufen und insgesamt rund zehn Milliarden Euro kosten.

Robert Habeck, Reiches Vorgänger im Wirtschaftsministerium, hatte das Modell einst „Transformationsstrompreis“ genannt – bewusst mit Enddatum, um der EU zu signalisieren, dass es sich um ein zeitlich begrenztes Instrument handelt. Diese strategische Rahmung scheint unter Reiche zu fehlen: Das Wort „Transformationsstrompreis“ ist verschwunden, das Misstrauen aus Brüssel ist geblieben.

Ob ein Industriestrompreis ohne Klimabedingung überhaupt zukunftsfähig ist, bleibt offen – der Nachhaltigkeitsgedanke droht unterzugehen.

Anwendung: Wer profitiert eigentlich?

Handelsblatt zum Industriestrompreis

Laut dem Papier sollen nur Unternehmen profitieren, die auf der sogenannten KUEBLL-Liste stehen – also jene strom- und handelsintensiven Betriebe, die bereits auf EU-Ebene als besonders schutzbedürftig gelten. In Deutschland betrifft das etwa 2.000 Unternehmen. Ein Blick auf diese Liste zeigt: Es geht nicht nur um klassische Großindustrie wie Stahl, Chemie, Papier oder Glas, sondern auch um Unternehmen aus dem energieintensiven Mittelstand – teils mit mehreren hundert Beschäftigten.

Dass eine so kleine Zahl von Unternehmen in den Genuss staatlich subventionierter Strompreise kommen soll, dürfte Brüssel zusätzlich stören – insbesondere, wenn keine klare Begrenzung oder soziale Staffelung vorgesehen ist. Wenn nur 2.000 Unternehmen profitieren, stellt sich dazu die Frage: Wo bleibt die Unterstützung für KMU, Handwerk und Energiedienstleister, die ebenfalls unter Stromkosten leiden – aber nicht auf der Liste stehen?

Politische Einordnung: EU-Kritik und innenpolitischer Spagat

In der Verschlussvorlage ist die Rede von „erheblichen Vorbehalten“ der EU-Kommission. Insbesondere fehle es an einer rechtssicheren Begründung für ein „Marktversagen“, das die staatliche Hilfe rechtfertigen würde. Auch Frankreich, das mit einem ähnlichen Modell gescheitert ist, mahnt zur Vorsicht.

Noch brisanter: Die Beamten rechnen mit politischem Widerstand aus mindestens sieben EU-Staaten – darunter die Niederlande, Österreich, Dänemark, Spanien und Italien. Nur Frankreich könnte sich als potenzieller Verbündeter erweisen, da dort der eigene Industriestrompreis 2025 ausläuft.

Reiche selbst zeigt sich im Gespräch mit der EU-Vizepräsidentin Teresa Ribera zwar kompromissbereit, bleibt aber vage. Der Zeitdruck ist hoch, denn der EU-Beihilferahmen wird bereits im Juni finalisiert.

Finanzierung: Ein milliardenschweres Vabanquespiel

Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) muss die Mittel bereitstellen – in einem ohnehin angespannten Haushalt. Und auch das operative Konzept ist komplex: Da die Strompreise der Unternehmen individuell stark variieren, soll auf Basis durchschnittlicher Börsenstrompreise nachträglich ausgezahlt werden. Ein bürokratisches Konstrukt, das Transparenz und Planbarkeit erschwert – für Unternehmen wie für Staat.

Strompreis-Subventionen: Teures Risiko mit ungewissem Ausgang

Der Industriestrompreis ist ein industriepolitischer Kraftakt – und könnte sich als Rohrkrepierer erweisen. Ohne überzeugende Argumentation gegenüber Brüssel, klare Befristung und sozial gerechte Ausgestaltung droht das Projekt zu scheitern. Dass nun eine interne Warnung des Ministeriums öffentlich wird, zeigt: Die Zweifel sind hausgemacht.

Die Bundesregierung wollte Industriearbeitsplätze schützen – nun droht sie, Vertrauen und politische Glaubwürdigkeit zu verspielen. Ob Reiche aus dem Scheitern Habecks gelernt hat, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.

Lesen Sie auch: EU ETS2 Futures starten mit 73 Euro

2c2b524c8fff4937b22351c32d003916
Hinterlasse eine Antwort

Ihre Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.