
EU ETS2 Futures starten mit 73 Euro: Was das erste Preissignal für Verbraucher und Klimapolitik bedeutet
CO₂-Preis von 73 Euro je Tonne wirft ein grelles Licht auf die kommenden Kosten der fossilen Energien in Gebäuden und Verkehr.
Seit dem 6. Mai 2025 ist es offiziell: Die Intercontinental Exchange (ICE) bietet erstmals Future-Kontrakte für den neuen Emissionshandel EU ETS II für Gebäude und Verkehr an. Diese werden als „EU ETS2 Futures“ gehandelt. Ab 2027 sollen so CO₂-Emissionen in Gebäude- und Verkehrssektor reduziert werden. Der erste gehandelte Preis liegt bei 73 Euro pro Tonne CO₂ – deutlich über dem angestrebten Einstiegspreis von 45 Euro. Ab Juli 2025 will auch die Strombörse EEX EU ETS2 Futures anbieten.
Warum ist das Preissignal der EU ETS2 Futures relevant?
Mit dem ETS II dehnt die Europäische Union ihren marktbasierten Klimaschutzansatz auf Bereiche aus, die rund 40 Prozent der CO₂-Emissionen der EU ausmachen: Gebäude und Straßenverkehr. Ab 2025 beginnt die Überwachung und Berichterstattung, ab 2027 wird für jede emittierte Tonne CO₂ ein Zertifikat benötigt. Unternehmen und letztlich auch Verbraucher*innen sehen sich dann mit einem CO₂-Preis konfrontiert, der fossile Energien deutlich verteuert.
Dass die nun gehandelten EU ETS2 Futures bei 73 Euro notieren, ist mehr als ein technisches Detail: Es ist ein Indikator für die Erwartungen der Märkte hinsichtlich politischer Steuerung, Nachfrage und Knappheit. Während die EU-Kommission den Einstiegspreis bewusst moderat setzen wollte, könnten Marktmechanismen zu einem deutlich höheren Preisniveau führen.
Folgen für Verbraucher und Investitionsentscheidungen
Ein Preis von 73 Euro je Tonne CO₂ würde bedeuten:
- Benzin und Diesel verteuern sich um ca. 17 bis 18 Cent pro Liter,
- Heizöl und Erdgas werden ebenfalls spürbar teurer,
- die Betriebskosten fossiler Heizungen steigen signifikant.
Laut aktuellen Berechnungen (u. a. T-Online) könnte der Preis für Benzin durch den marktbasierten Handel langfristig auf bis zu 2,30 Euro pro Liter steigen, Diesel könnte ähnlich teuer werden. Beim Heizöl sind Preiserhöhungen von rund 15 Prozent realistisch, was für viele Haushalte eine spürbare Mehrbelastung darstellt. Bereits 2027 dürften die neuen CO₂-Kosten erstmals auf Tankstellen und Heizölrechnungen durchschlagen.
Das setzt Haushalte unter Druck, die bislang keine Alternativen installiert haben. Für Menschen mit geringem Einkommen können diese Preissteigerungen zur Überforderung führen. Gleichzeitig senden die Futures ein Signal an Investor*innen: Jetzt ist der Zeitpunkt, um in effiziente Gebäudesanierung, Elektromobilität und klimafreundliche Heizsysteme wie Wärmepumpen zu investieren. Für Unternehmen entstehen neue Märkte und Chancen – vorausgesetzt, die politischen Rahmenbedingungen bieten Planungssicherheit.
Soziale Abfederung als politische Aufgabe
Mit dem ETS II ist auch ein Sozialmechanismus verbunden: Ab 2026 stehen den Mitgliedsstaaten insgesamt 65 Milliarden Euro aus dem „Social Climate Fund“ zur Verfügung. Diese Mittel sollen gezielt einkommensschwache Haushalte dabei unterstützen, sich vom fossilen Energieverbrauch zu emanzipieren.
Die schwarz-rote Bundesregierung verlässt sich darauf, dass die Möglichkeiten des „Social Climate Fund“ ausreichen, um auch in Deutschland sozial gerechten Klimaschutz zu ermöglichen. Zusätzlich sollen die Strompreise gesenkt und Käufer neuer Heizungen und Elektroautos gefördert werden.
Wichtig ist dabei, dass die Mittel nicht nur zur Kostenerstattung verwendet werden, sondern transformationsermöglichend wirken: etwa für den Umstieg auf effiziente Heizsysteme oder den Kauf eines Elektroautos.
Marktentwicklung und politische Steuerung
Ab Juli 2025 sollen EU ETS2 Futures auch an der EEX gehandelt werden, was die Preisfindung verbreitern könnte. Die politische Herausforderung besteht darin, einen funktionierenden Markt zu etablieren, ohne Haushalte zu überfordern.

Falls Energiepreise außergewöhnlich stark steigen, sieht der EU-Rahmen vor, den ETS II-Start um ein Jahr auf 2028 zu verschieben. Zuletzt machten Gerüchte die Runde, die osteuropäischen Länder hätten ein Interesse daran, den Emissionshandel auszusetzen. Das wäre verheerend für die Erreichung der europäischen Klimaziele. Bundeskanzler Friedrich Merz nennt den Emissionshandel als zentrales Instrument, wenn er nach Klimapolitik gefragt wird – einen Plan B gibt es nicht.
Fazit: ETS II ist ein klimapolitischer Meilenstein – aber kein Selbstläufer
Das erste Preissignal der EU ETS2 Futures von 73 Euro ist ein klares Signal: Die Dekarbonisierung des Gebäude- und Verkehrssektors wird real, spürbar und teuer – für alle, die nicht vorbereitet sind.
Nur wenn der ETS II klug reguliert, sozial abgefedert und technologisch flankiert wird, kann er zur Erfolgsgeschichte werden: als marktbasiertes Instrument mit Lenkungswirkung, das Investitionen in eine saubere Zukunft 2030 und 2050 auslöst, ohne soziale Brücken abzubrechen.
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Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.
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