
Tischtennis statt Transformation? Warum Karl Lauterbachs WHO-Einsatz für Klima und Gesundheit kaum Schlagzeilen macht
Während Medien in Deutschland über Lauterbachs Tischtennisverbot im Ministerium diskutieren, tagt er in Island mit der WHO zu einem der zentralen Zukunftsthemen: Klima und Gesundheit.
Karl Lauterbach steht in Island, vor einem der weltweit modernsten Anlagen zur CO2-Entnahme und -Speicherung. Es geht um Direct Air Capture, um Basaltgestein, um Klimaschutz auf molekularer Ebene. Gleichzeitig dominieren in der deutschen Medienlandschaft Meldungen darüber, dass der ehemalige Gesundheitsminister seine Sondererlaubnis zum Tischtennis-Spielen im Ministeriumskeller verloren hat. Die mediale Schieflage wirft Fragen auf: Warum wird ein echtes Zukunftsthema – nämlich die Verknüpfung von Klima und Gesundheit – von einer Boulevard-Debatte übertönt?
Technologie: Climeworks, Carbfix und die Umwandlung von CO2 zu Stein
In Hellisheiði, Island, kooperieren das Schweizer Unternehmen Climeworks und das isländische Projekt Carbfix bei der Umsetzung von Direct Air Capture (DAC) mit anschließender unterirdischer Speicherung. Dabei wird CO2 entweder direkt aus der Umgebungsluft oder aus industriellen Punktquellen abgeschieden, verflüssigt, mit Wasser vermischt und in vulkanisches Basaltgestein injiziert.
Dort mineralisiert es innerhalb weniger Jahre zu stabilen Karbonaten – ein Ansatz, der als dauerhaft und sicher gilt. Laut Studien könnten so theoretisch Milliarden Tonnen CO2 langfristig gebunden werden. DAC gilt als unverzichtbarer Baustein für Klimaneutralität, ist bisher jedoch teuer und energieintensiv.
Die unterirdische Versteinerung von Kohlendioxid, das der Umgebungsluft entnommen wurde, gilt als heiliger Gral der Technologien, die unter dem Begriff Carbon Capture & Storage subsumiert werden. Mehr dazu, wie Climeworks den Klimawandel umkehren will.
Anwendung: WHO-Gremium und die Relevanz für die globale Gesundheit
Das WHO-Gremium zum Thema ‚Klima und Gesundheit‘, dem Karl Lauterbach angehört, diskutiert die gesundheitlichen Folgen der Klimakrise und mögliche Gegenstrategien. Es trifft sich in diesen Stunden auf Island zur nächsten Sitzung. Dazu gehören Hitzewellen, Luftverschmutzung, Veränderungen bei Infektionskrankheiten sowie die psychische Belastung durch Klimafolgen.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO sieht die Klimakrise inzwischen als „die größte Gesundheitsbedrohung des 21. Jahrhunderts“. Besonders betroffen sind vulnerable Gruppen: Kinder, ältere Menschen, chronisch Kranke und Menschen im globalen Süden. Die Arbeit des Gremiums zielt darauf, wissenschaftliche Erkenntnisse in politische Empfehlungen zu überführen und internationale Gesundheitsstrategien an den Klimawandel anzupassen.
Medienlandschaft: Was die Tischtennis-Debatte über politische Kommunikation verrät
Der Kontrast zwischen Lauterbachs aktueller Arbeit im WHO-Kontext und der medialen Konzentration auf seine verlorene Tischtenniserlaubnis ist frappierend. Er zeigt exemplarisch, wie schnell substanzielle Themen in der öffentlichen Wahrnehmung von vermeintlich skurrilen Nebensächlichkeiten überlagert werden.

Noch bizarrer als die verquere Tischtennis-Geschichte mutet das an, was Medien wie NZZ, Welt oder NIUS aus der neuen Rolle von Karl Lauterbach glauben, machen zu müssen. Um feindbildartige Narrative auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt des Gesundheitsministers aufrecht zu erhalten, wird nun in Zweifel gezogen, dass Lauterbach sich mit dem Klimawandel auskennen würde.
Dabei ist völlig klar, dass Gesundheit, Klimapolitik und soziale Gerechtigkeit nicht nur drei Themen sind, die sehr eng miteinander verbunden sind, sondern auch die Kernthemen des Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach.
Dabei gäbe es genug zu diskutieren: Welche Rolle soll Deutschland in der internationalen Klimapolitik spielen? Wie können Public-Health-Strukturen klimarobust gemacht werden? Und wie funktioniert eine evidenzbasierte Klimakommunikation im Zeitalter von Meinung und Memes?
Immerhin: Daniel Delhaes vom Handelsblatt bringt mit seinem Artikel etwas mehr Ernsthaftigkeit zurück. Der Beitrag über Karl Lauterbach unter dem Titel „Mit neuer Rolle im Bundestag und im Auftrag der Weltgesundheit“ ist eine rühmliche Ausnahme in einem medialen Wirrwarr, bei dem Relevanz ganz offenbar dem schnellen Klick zum Opfer zu fallen scheint.
Klima und Gesundheit brauchen mehr als Symbolik
Der Einsatz von Karl Lauterbach in der WHO-Kommission „Klima und Gesundheit“ zeigt: Es geht nicht um Einzelmeinungen, sondern um globale Zusammenhänge. Klima und Gesundheit sind systemisch verbunden, technologisch herausfordernd und politisch brisant. Statt über Tischtennisplatten sollten wir über Transformationspfade sprechen.
Die Debatte um die Prioritäten unserer öffentlichen Kommunikation ist überfällig.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.