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Flexibilität statt Grundlast: Warum Batteriespeicher und Co. die Energiewende voranbringen

Großspeicher in Bollingstedt zeigt, wie Flexibilität zum Schlüssel der Energiewende wird. Ein Überblick über Technologien, Optionen und ihre Einordnung im Maßstab Speed & Scale.

In Bollingstedt in Schleswig-Holstein hat das deutsch-norwegische Cleantech-Unternehmen Eco Stor den bislang größten Batteriespeicher Deutschlands eingeweiht – mit einer Leistung von 103,5 Megawatt und 230 Megawattstunden Kapazität. Dieses Projekt markiert nicht nur einen technischen Meilenstein, sondern steht exemplarisch für eine stille, aber tiefgreifende Transformation: Flexibilität ersetzt zunehmend klassische Grundlastlogik. Angesichts zunehmender Stunden mit negativen Strompreisen wird klar, dass die nächste Phase der Energiewende vor allem eines braucht: intelligente Steuerung, Speicher und Flexibilitätsoptionen.

Batterie-Tsunami rollt an

Im Jahr 2024 wurden laut Bundesnetzagentur mehr als 500.000 neue Heimspeicher installiert, dazu kommen immer mehr große Batteriespeicherprojekte. Die Bundesnetzagentur zählte allein bis Mitte 2025 über 1,3 Gigawatt installierter Großspeicherkapazität. Damit wird deutlich: Flexibilität ist das neue Schlüsselwort der Energiewende.

Der Batteriespeicher in Bollingstedt wurde auf einem ehemaligen Kasernengelände errichtet und ist ein modular erweiterbares Projekt. Die Anlage nutzt Lithium-Ionen-Technologie und kann Regelenergie in Millisekunden bereitstellen. Eco Stor plant, die Speicherleistung perspektivisch zu verdoppeln. Der Speicher ist direkt an das Hochspannungsnetz angeschlossen und unterstützt die Netzstabilität in Norddeutschland.

Über ein intelligentes Energiemanagementsystem wird die Be- und Entladung automatisch dem Börsenpreis angepasst. Bollingstedt zeigt damit beispielhaft, wie Speicher aktiv auf Marktpreissignale reagieren können. Der Standort wurde auch wegen seiner Nähe zu Windkraftclustern gewählt. Die Anlage ist Teil eines wachsenden Netzwerks industrieller Speicherlösungen in Deutschland.

Finanziert wurde sie unter anderem durch institutionelle Investoren, was auf das steigende Interesse des Kapitalmarkts an Flexibilitätslösungen hinweist. Technisch ist der Speicher darauf ausgelegt, sowohl kurzfristige Lastspitzen als auch Frequenzschwankungen im Netz auszugleichen.

Warum Flexibilität jetzt entscheidend ist

Schon im Mai 2025 verzeichnete der Strommarkt fast 160 Stunden mit Preisen unter einem Euro pro Megawattstunde. Solche Phasen entstehen durch das Zusammenspiel von viel Solarstrom, geringer Nachfrage und starrer Erzeugung. Ohne flexible Verbraucher und Speicher wächst der Druck auf das System.

Hier setzen Batteriespeicher, dynamische Stromtarife, Demand Response und bidirektionales Laden an. Sie helfen, lokale Netze zu stabilisieren, Stromverbrauch zeitlich zu verlagern und so die Preisvolatilität an der Börse zu verringern. Der neue Speicher in Bollingstedt etwa kann binnen Sekunden Regelenergie liefern und Engpässe im Norden entschärfen.

Industrieversorgung ohne Grundlastkraftwerke?

Ein gern genanntes Gegenargument lautet: Die Industrie braucht durchgehend Energie, also Grundlastkraftwerke. Doch die Leopoldina-Studie („ESYS Impuls Grundlast„, Dezember 2024) zeigt klar: Eine sichere Stromversorgung ist auch ohne durchgehenden Grundlastbetrieb möglich.

Das gelingt durch ein Zusammenspiel von Erneuerbaren, Speichern, sektorübergreifender Flexibilität und Residuallastkraftwerken. Letztere werden nur dann betrieben, wenn Sonne und Wind nicht ausreichen. Ihre Rolle ist essenziell – aber sie unterscheiden sich deutlich von klassischen Grundlastkraftwerken.

Welche Residuallastkraftwerke braucht das System?

In Deutschland wird derzeit über verschiedene Varianten diskutiert:

  1. Klassische Gaskraftwerke (schnell verfügbar, aber fossile Abhängigkeit)
  2. Wasserstoffkraftwerke (langfristig THG-neutral, aber aktuell teuer und knapp)
  3. GuD-Kraftwerke mit CCS (technisch machbar, aber mit vielen offenen Fragen)

Die Leopoldina warnt: CCS-Kraftwerke verursachen hohe variable Kosten (36 bis 110 €/MWh) und bleiben auch bei Abscheidung nicht vollständig klimaneutral – v. a. wegen Vorkettenemissionen. Der Aufwand für Infrastruktur wie Pipelines und Speicherstätten ist enorm. Projekte wie die geplante CO2-Pipeline in Schwaben zeigen, wie konfliktreich dieser Ausbau werden kann.

Wohin mit dem CO2? Das Kernproblem der CCS-Strategie bleibt ungelöst: Wohin mit dem abgeschiedenen CO2? Die Speicherkapazitäten in Europa, etwa unter der Nordsee, sind begrenzt. Die Nutzung als Rohstoff muss sehr selektiv und dauerhaft recyclingfähig sein – etwa bei Neustark-Beton oder über Versteinerung wie bei CarbFix. Beides sind bisher Ausnahmen, keine skalierbaren Standardlösungen.

Speed & Scale als Bewertungsmaßstab

Johan Rockströms Konzept macht deutlich: Es braucht Lösungen, die schnell und im großen Stil umsetzbar sind. Derzeit bedeutet das:

  • Ausbau von Wind und Solar
  • Batteriespeicher und Lastverschiebung
  • Sektorübergreifende Kopplung
  • Fokus auf überwiegend elektrische Lösungen

Was nicht dazugehört: Neue große Abhängigkeiten von importiertem Erdgas, CO2-Entsorgungsinfrastruktur oder Fusionsphantasien ohne Reifegrad. Die Kernfusion mag langfristig Potenzial haben, aber ist heute irrelevant für die Klimaziele 2045.

Lesen Sie auch: Was neue Forschungsergebnisse verraten – und was Klimaforscher wie Johan Rockström zunehmend nervös mach

Einordnung

Die Energiewende tritt in ihre nächste Phase ein. Bollingstedt ist dafür sein sehr gutes Beispiel. Es geht nicht mehr nur um Erzeugung, sondern um Intelligenz im System. Batteriespeicher, smarte Netze und Flexibilität sind der Schlüssel. Grundlastkraftwerke sind kein Muss. Entscheidend sind Residuallastlösungen – aber bitte realistisch, klimakompatibel und im Maßstab von Speed & Scale.

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