
Gira Solarpark: 70.000 Quadratmeter für die Energiewende in Radevormwald
Die Energiewende ist für produzierende Unternehmen nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance, wirtschaftliche und ökologische Ziele miteinander zu verbinden. Ein Unternehmen, das diesen Weg konsequent beschreitet, ist die Gira Giersiepen GmbH & Co. KG aus Radevormwald. Der traditionsreiche Hersteller von Gebäudetechnik hat sich mit dem Bau eines eigenen Solarparks ein ambitioniertes Ziel gesetzt: den Großteil seines Strombedarfs durch erneuerbare Energien zu decken und gleichzeitig einen Beitrag zur regionalen und globalen Energiewende zu leisten.
Dieser Artikel beleuchtet die Dimensionen des Projekts, erklärt die technischen und wirtschaftlichen Details und zeigt, wie andere Mittelständler von Giras Ansatz profitieren können.
Ein Solarpark mit beeindruckenden Dimensionen
Der Gira Solarpark, der im Sommer 2025 an den Start gehen soll, erstreckt sich über eine Fläche von 70.000 Quadratmetern an der Bundesstraße 229 in Richtung Halver. Um sich die Größe vorzustellen: Das entspricht etwa der Fläche von zehn Fußballfeldern. Auf diesem Areal wurden 13.794 Photovoltaik-Module installiert, jedes mit einer Leistung von 650 Watt.
Die Module selbst bedecken 37.200 Quadratmeter, was ungefähr 143 Tennisplätzen entspricht. Diese Anlage wird jährlich rund zehn Millionen Kilowattstunden emissionsfreien Strom erzeugen – eine Menge, die den Stromverbrauch eines kleinen Städtchens decken könnte.
Doch Gira hat nicht nur an die Energieerzeugung gedacht, sondern auch an den Naturschutz. Die Module sind auf sogenannten „PV-Tischen“ montiert, die auf 6.940 in den Boden gerammten Pfosten ruhen. Diese Konstruktion verhindert eine vollständige Versiegelung des Bodens, sodass die darunterliegende Fläche weiterhin für Flora und Fauna nutzbar bleibt.

Um die Grünflächen zu pflegen, plant Gira, eine Schafherde einzusetzen. Projektleiter Dietmar Daszkiewicz spricht von etwa 50 bis 70 Schafen, die das Gras abweiden sollen – eine charmante und nachhaltige Lösung, die zeigt, wie sich Technologie und Natur verbinden lassen. Interessierte Schäfer können sich direkt bei Gira melden, um Teil dieses Projekts zu werden.
Stromverbrauch und Eigenversorgung: Ein Blick auf die Zahlen
Gira ist ein energieintensives Unternehmen. Im Jahr 2023 lag der Stromverbrauch am Standort Radevormwald bei etwa 14 Millionen Kilowattstunden. Das ist ein Rückgang von rund 42 Prozent im Vergleich zu 2018, als der Verbrauch noch bei 24,4 Millionen Kilowattstunden lag. Dieser Rückgang ist nicht nur auf eine geringere Produktion aufgrund der Baukrise zurückzuführen, sondern auch auf gezielte Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz. Dennoch bleibt der Energiebedarf hoch, insbesondere in der Produktion, wo Maschinen, Heizungen und Kühlsysteme rund um die Uhr laufen.
Der Solarpark soll einen erheblichen Teil dieses Bedarfs abdecken. Mit einer Jahresproduktion von zehn Millionen Kilowattstunden könnte die Anlage theoretisch 70 Prozent des aktuellen Stromverbrauchs decken. Praktisch liegt das Ziel bei 60 bis 70 Prozent Eigenverbrauch, da die Stromerzeugung stark von Tageszeit und Jahreszeit abhängt.
Im Sommer produziert der Solarpark mehr Strom, als Gira verbrauchen kann, während im Winter die Erträge sinken. Um diese Schwankungen auszugleichen, setzt Gira auf ein Speicherkonzept, das derzeit noch verfeinert wird. Batteriespeicher und Pufferspeicher, wie etwa Sprinklertanks, sollen überschüssigen Strom zwischenspeichern. Der restliche Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist.
Winterzeit und Wärme: Herausforderungen und Lösungen
Die Frage, wie Gira den Winter übersteht, ist zentral, da die Sonneneinstrahlung in den kalten Monaten deutlich geringer ist. In dieser Zeit wird der Solarpark nicht genug Strom liefern, um den Bedarf vollständig zu decken – insbesondere für Spät- und Nachtschichten, wenn die Sonne nicht scheint. Hier greift das Speicherkonzept: Überschüssiger Strom aus dem Sommer wird gespeichert und im Winter genutzt. Zusätzlich wird Gira weiterhin Strom aus dem öffentlichen Netz beziehen, allerdings in deutlich geringerem Umfang als bisher.
Ein weiterer Aspekt ist die Wärmeversorgung. Bisher setzt Gira in seinen Werken auf erdgasbetriebene Blockheizkraftwerke für die Beheizung der Gebäude und Absorptionsanlagen für die Kälteerzeugung. Mit dem Solarpark wird ein Umstieg auf strombasierte Technologien angestrebt. Großwärmepumpen sollen die Gebäudeheizung übernehmen, während Kompressoren die Kälteerzeugung sicherstellen.
Diese Systeme nutzen den Solarstrom direkt, wodurch der CO₂-Ausstoß weiter sinkt. Die Wärme, die bei der Stromerzeugung entsteht, spielt dabei keine Rolle, da Photovoltaikmodule kaum Abwärme produzieren. Stattdessen wird der Fokus auf die effiziente Nutzung des erzeugten Stroms gelegt, um die Wärmeversorgung nachhaltig zu gestalten.
Produktion vor Ort: So arbeitet Gira
Gira produziert direkt am Standort Radevormwald, und das in großem Stil. Die beiden Werke – der Gira Campus Dahlienstraße und das Produktions-, Entwicklungs- und Logistikzentrum in der Röntgenstraße – sind das Herzstück der Fertigung. In der Dahlienstraße befindet sich das „gläserne Kunststoffzentrum“, wo thermoplastische Kunststoffe verarbeitet werden, aus denen Schalter, Steckdosen und andere Komponenten bestehen. Diese Kunststoffe sind recycelbar, und Gira setzt zunehmend auf Rezyklate, die bis zu 100 Prozent aus recyceltem Material bestehen können. In der Röntgenstraße werden die Produkte montiert, getestet und für den Versand vorbereitet. Beide Standorte sind in Hallen untergebracht, die speziell für die industrielle Fertigung ausgelegt sind.
Die Produktion ist hochautomatisiert, aber auch personalintensiv: Über 1.250 Mitarbeiter arbeiten in Radevormwald. Die Hallen sind mit modernen Maschinen ausgestattet, die einen hohen Energieverbrauch verursachen – ein Grund, warum der Solarpark für Gira so wichtig ist. Durch die direkte Anbindung der Werke an den Solarpark über 180 Kilometer Stromkabel und 60 Kilometer Glasfaserkabel kann der erzeugte Strom effizient genutzt werden. Die Kabel wurden unter anderem unter der Bundesstraße 483 und einem Wasserlauf verlegt – eine logistische Herausforderung, die Gira in Zusammenarbeit mit der Stadt und den Stadtwerken gemeistert hat.
Wirtschaftlichkeit: Ein Modell für den Mittelstand
Die wirtschaftlichen Vorteile des Solarparks sind für Gira klar erkennbar. Die Kosten für die Anlage belaufen sich auf eine mittlere einstellige Millionenhöhe, was die Module, Trafos, Kabel und den Netzanschluss umfasst. Der erzeugte Strom kostet Gira zwischen fünf und sechs Cent pro Kilowattstunde – weniger als ein Drittel des aktuellen Einkaufspreises. Projektleiter Dietmar Daszkiewicz rechnet mit einer Amortisationszeit von sechs bis sieben Jahren, im schlechtesten Fall acht bis zehn Jahre. Das ist ein starkes Argument für andere Mittelständler, die über ähnliche Investitionen nachdenken.
Doch der Solarpark bringt nicht nur finanzielle Vorteile. Er reduziert Giras CO₂-Emissionen um mehr als 50 Prozent und macht das Unternehmen unabhängiger von schwankenden Energiepreisen. Zudem stärkt er die regionale Verwurzelung: Gira bekennt sich mit diesem Projekt klar zu Radevormwald und schafft ein Vorbild für nachhaltiges Wirtschaften in der Region.
Best Practice: Was andere Unternehmen lernen können
Für andere produzierende Mittelständler bietet das Gira-Projekt eine klare Blaupause. Der erste Schritt ist eine gründliche Analyse des eigenen Energiebedarfs und der verfügbaren Flächen. Gira hatte das Glück, eine ungenutzte Fläche von 70.000 Quadratmetern zur Verfügung zu haben, die sich für einen Solarpark eignete. Unternehmen, die keine solche Fläche besitzen, könnten auf Dachflächen oder Kooperationen mit anderen Firmen setzen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Zusammenarbeit mit lokalen Behörden. Gira profitierte von der Unterstützung der Stadt Radevormwald und der Stadtwerke, die den Genehmigungsprozess und die Netzanbindung erleichterten. Ohne diese Kooperation wäre das Projekt nicht realisierbar gewesen. Unternehmen sollten daher frühzeitig den Dialog mit der Kommune suchen und auf Transparenz setzen.
Die technische Umsetzung erfordert eine sorgfältige Planung. Gira entschied sich bewusst gegen Windkraft, da die Abstandsregelungen in Nordrhein-Westfalen zu restriktiv waren, und gegen Solardächer, da die Amortisationszeit zu lang gewesen wäre. Stattdessen wurde ein Konzept gewählt, das den Eigenverbrauch maximiert: Der Solarpark ist direkt mit den Werken verbunden, was den Stromverlust minimiert. Andere Unternehmen sollten prüfen, wie sie erzeugten Strom direkt nutzen können, und Speicherlösungen in ihre Planung einbeziehen, um Schwankungen in der Erzeugung auszugleichen.
Nicht zuletzt spielt die Kommunikation eine Rolle. Gira hat mit seinem Nachhaltigkeitsbericht und der öffentlichen Präsentation des Solarparks gezeigt, wie wichtig Transparenz ist. Der Gewinn des Sustainable Impact Award 2024 unterstreicht, dass solche Projekte nicht nur intern, sondern auch extern Wirkung zeigen. Unternehmen, die ähnliche Projekte umsetzen, sollten ihre Fortschritte dokumentieren und mit der Öffentlichkeit teilen – das schafft Vertrauen und motiviert andere, nachzuziehen.
Fazit Gira Solarpark: Ein Schritt in die Zukunft
Der Gira Solarpark ist mehr als nur ein Energieprojekt – er ist ein Statement. Gira zeigt, dass sich Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht ausschließen, sondern Hand in Hand gehen können. Mit einer klaren Strategie, einer durchdachten technischen Umsetzung und einer starken Partnerschaft mit der Region hat das Unternehmen ein Modell geschaffen, das andere Mittelständler inspirieren kann.
Die Energiewende ist keine ferne Vision mehr, sondern eine greifbare Realität – und Gira aus Radevormwald geht dabei voran.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.