
Inter-area-Oszillationen als Ursache für den iberischen Blackout?
Der iberische Blackout auf der iberischen Halbinsel am 28. April 2025 hat Spanien und Portugal erschüttert (Cleanthinking berichtete hier und dort) – und eine hitzige Debatte ausgelöst: Waren Solarkraftwerke schuld, oder könnten sogenannte Inter-area-Oszillationen im europäischen Stromnetz der Auslöser gewesen sein? Neue Forschungsergebnisse von Sönke Rogalla oder Dr. Michael Fette deuten darauf hin, dass Inter-area-Oszillationen eine entscheidende Rolle gespielt haben könnten. Doch was bedeutet das für die Energiewende?
Der Blackout und die Debatte um Solarenergie
Am 28. April 2025 brach das Stromnetz auf der iberischen Halbinsel zusammen, nachdem innerhalb von fünf Sekunden 15 Gigawatt Leistung wegfielen – etwa 60 % der spanischen Nachfrage. Sofort machten Kritiker, insbesondere Kernkraft-Befürworter, Solarkraftwerke verantwortlich, da diese zum Zeitpunkt des Blackouts 60 % der Stromerzeugung ausmachten.
Doch Experten wie Sönke Rogalla widersprechen: „Fehlende physische Trägheit durch Solaranlagen ist vermutlich nicht die Ursache, hat den Totalausfall aber möglicherweise begünstigt.“
Auch Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez und die Chefin des Netzbetreibers REE, Beatriz Corredor, wiesen die Schuld von erneuerbaren Energien zurück: „Es ist falsch, den Ausfall auf erneuerbare Energien zurückzuführen“, betonte Corredor.
Inter-area-Oszillationen: Ein unterschätztes Phänomen?
Stattdessen rücken Inter-area-Oszillationen als mögliche Ursache in den Fokus. Doch was sind Inter-area-Oszillationen? Sie entstehen, wenn Generatoren in einem Netzgebiet gegenphasig in Resonanz mit anderen geraten, was ungewollte Leistungspendelungen quer durch Europa verursachen kann. „In den Stunden vor dem Ausfall in Spanien kam es mehrfach zu Schwingungen im europäischen Stromnetz“, erklärt Rogalla.
Diese Schwingungen traten laut ihm gleichzeitig auf der iberischen Halbinsel und im Baltikum auf – ein Hinweis darauf, dass das Problem systemisch sein könnte. Albert Moser von der RWTH Aachen ergänzt in der Süddeutschen Zeitung: „Das Phänomen ist bekannt und kann durch Störungen im Netz angeregt werden. Pendeldämpfungsgeräte sollten solche Netzpendelungen jedoch verhindern.“
Warum solche Oszillationen gefährlich sind
Inter-area-Oszillationen wirken wie ein Lineal, das man federn lässt: Die Ausschläge sind an den Rändern – wie auf der iberischen Halbinsel – am stärksten. Rogalla vermutet, dass diese Schwingungen so groß waren, dass sich mehrere Kraftwerke automatisch abschalteten, um Schäden zu vermeiden. Ironischerweise können genau die netzstabilisierenden Schwungräder großer Kraftwerke (z. B. Atom- oder Gaskraftwerke) solche Oszillationen verstärken, wenn sie in Resonanz geraten.
Aber auch Wechselrichter von Solaranlagen können betroffen sein, wenn sie nicht entsprechend geregelt sind. Veit Hagenmeyer vom Karlsruher Institut für Technologie betont: „Wechselrichter kleiner Energieanlagen besitzen keine klassische rotierende Masse, wodurch Inter-area-Oszillationen im Fehlerfall schlechter gedämpft werden könnten.“
Lösungen: Netzstabilität neu denken
Die Experten sind sich einig: Inter-area-Oszillationen müssen besser verstanden und bekämpft werden, um künftige Blackouts zu verhindern. Moderne Wechselrichter könnten helfen, indem sie virtuelle Trägheit bereitstellen und netzbildend arbeiten – eine Technologie, die laut Rogalla bereits marktreif ist. Zudem braucht es mehr Investitionen in Netzinfrastruktur: Akkumulatoren, wie von Experten in La Vanguardia vorgeschlagen, könnten Schwankungen abfedern, und eine bessere Koordination zwischen europäischen Netzbetreibern ist essenziell.

Taavi Madiberk von Skeleton Technologies, dessen Cleantech-Unternehmen eine Hybridbatterie entwickelt hat, dass die Energiedichte von Li-Ion-Batterien mit der Leistungsdichte von Superkondensatoren kombiniert, bringt via Linkedin-Post diese Technologie als Lösungsidee in die Debatte ein.
Der Blackout zeigt, dass die Energiewende nicht nur mehr erneuerbare Energien braucht, sondern auch ein intelligenteres Netzmanagement.
Fazit: Solarenergie entlasten, Netzstabilität stärken
Die Debatte um den Blackout in Spanien und Portugal zeigt, wie schnell erneuerbare Energien in die Kritik geraten – oft zu Unrecht. Inter-area-Oszillationen könnten der wahre Auslöser sein, doch die Untersuchungen laufen noch. Eines ist klar: Statt Solarkraftwerke zu verteufeln, sollten wir die Energiewende nutzen, um Netze robuster zu machen. Neue Technologien wie netzbildende Wechselrichter und ein stärkerer Fokus auf Netzstabilität sind der Schlüssel, um die Energiezukunft sicher zu gestalten – ohne auf Kernkraft zurückzugreifen.
Weiterführende Dokumente:
- Inter-Area-Oszillationen im europäischen Verbundnetz
- Nature: Designing of a wide-area power system stabilizer using an exponential distribution optimizer and fuzzy controller considering time delays
- Hatte der Blackout mit Solaranlagen zu tun – oder mit Oszillationen im Netz?

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.
[…] Sekunden fast das gesamte Land und Teile Portugals lahm. Die Ursache für Spaniens Blackout? Ein instabiles Frequenzniveau im Stromnetz – das Herzstück jeder Stromversorgung. In einer Welt, die zunehmend auf erneuerbare Energien […]