
Geothermie ist ein Generationenprojekt – und ein Game-Changer für die Wärmewende
Gespräch mit Alexander Land, Sprecher der Eavor GmbH, über die deutsche Wärmewende und den Stand des „Eavor-Loop“-Projekts in Geretsried.
Bei Geretsried in Bayern entsteht ein potenzieller Game-Changer für die Wärmewende. Anstatt auf natürliche Warmwasserreservoirs zu setzen, nutzt die Eavor GmbH eine ursprünglich kanadische Technologie: das sogenannte Eavor-Loop-System aus Tiefenbohrungen. Für das Cleantech-Unternehmen steht in den kommenden Wochen ein entscheidender Moment bevor: Dann soll das Pionierprojekt in Geretsried erstmals Strom (Wärme folgt später) liefern. Der Artikel beleuchtet den aktuellen Stand.
Die Eavor-Technologie funktioniert so: Kaltes Wasser wird in Geretsried in 4.500 Metern Tiefe durch ein Netzwerk parallel verlaufender Schleifen geleitet und durch das heiße Gestein erwärmt – ein natürlicher Thermosyphoneffekt. Dafür werden zwei vertikale Schächte gebohrt, die tief unter der Erde durch horizontale Bohrungen verbunden sind. Die Flüssigkeit zirkuliert in diesem geschlossenen System und nimmt dabei die Wärme des Untergrunds auf – ganz ohne Fracking oder Wasserentnahme. So kann Wärme und Strom genau dort nachhaltig erzeugt werden, wo sie gebraucht werden.
Im Unterschied dazu nutzt klassische Geothermie natürliche Warmwasserreservoirs im Untergrund, sogenannte Aquifere. „Die sind aber geografisch begrenzt und daher nicht überall verfügbar“, erläutert Land.
Das Ziel des Pilotprojekts in Geretsried ist es, Fernwärme für ca. 30.000 Haushalte der Region zu liefern. Noch laufen die Bohrungen: „Rund 40 Kilometer sind schon gebohrt“, berichtet Unternehmenssprecher Alexander Land im Gespräch mit Cleanthinking.de. Insgesamt sollen es 80 Kilometer gebohrte Strecke pro Loop-System werden.
Warum hat Geothermie in Deutschland bislang keinen Durchbruch erlebt?
Nach Einschätzung von Alexander Land gibt es dafür zwei zentrale Gründe: „Erstens ist Geothermie unsichtbar. Ein Windrad sieht man, eine Solaranlage sieht man.“ Dadurch fehle oft das Bewusstsein für ihr Potenzial. „Zweitens ist der Baukasten, um die Geothermie in Deutschland hochzuskalieren, noch nicht vollständig“, erklärt Land. Die klassische Geothermie funktioniere nur dort, wo die geografischen Bedingungen passen – das mache sie per se nicht skalierbar.
„Unser Ansatz mit der Eavor-Loop-Technologie ist es, diese geografischen Einschränkungen zu überwinden und die Geothermie standortunabhängig skalierbar zu machen. Das ist der Schlüssel die Integration in Energietransformationspläne“, ist sich Land sicher. Angesichts der wieder ins Stocken geratenen Wärmewende sei es essenziell, dass es zusätzliche Lösungen gibt, um die große Nachfrage nach verbrennungsfreier Wärme zu befriedigen.
Doch Eavor ist mittlerweile nicht nur im bayerischen Geretsried aktiv. Mit der Stadt Hannover bzw. dem Energieversorger enercity hat das Unternehmen einen Wärmeliefervertrag geschlossen. Daneben gibt es Projekte in Neu-Ulm und den Niederlanden. „Wir arbeiten derzeit an 80 Machbarkeitsstudien in Deutschland alleine“, erklärt Land. Die neuen Möglichkeiten der Geothermie durch Eavor sind dabei oft bereits in die kommunalen Wärmepläne involviert oder sollen fester Bestandteil werden.
„Letztlich wird aber mit Investitionsentscheidungen gewartet, bis das Pilotprojekt in Geretsried wirklich läuft“, so Alexander Land. Ziel des jungen Unternehmens ist es, Deutschland als Innovationsstandort für Geothermie zu etablieren und zeitgleich international zu wachsen. Die ursprünglichen Wurzeln des Unternehmens liegen in Kanada.
Geothermie als Game-Changer für die Wärmewende
Klar ist: Zwar kann man Geothermie nicht sehen und keine bildstarken roten Knöpfe drücken, um etwa ein Windrad in Gang zu setzen. Trotzdem hat die Energie aus der Tiefe entscheidende Vorteile: Im Vergleich zu Wind- und Solaranlagen, die nach etwa 20 Jahren modernisiert werden müssen, ist ein Geothermieprojekt ein Generationenprojekt, dessen hohe Anfangsinvestitionen über mehrere Generationen genutzt werden.
Die Situationsbeschreibung macht deutlich: Die Eavor-Loop-Technologie hat das Potenzial, die Geothermie aus ihrer Nische zu holen und zum Game-Changer für die Wärmewende zu machen. Mit Projekten wie Geretsried steht Eavor kurz vor dem Durchbruch – ein Erfolg könnte den Weg für eine breitere Akzeptanz und Nutzung dieser innovativen Technologie ebnen.
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Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.