
Globale Dürre nimmt rasant zu: Atmosphäre wird zum Durstfaktor
Eine neue Studie legt nahe, dass sich extreme, globale Dürren häufen. Eine zentrale Rolle spielt offenbar nicht der Regen, sondern der steigende Verdunstungsbedarf der Atmosphäre.
Dürresommer wie 2022 könnten in Zukunft keine Ausnahme, sondern Normalität werden. Das legt eine aktuelle Analyse im Fachjournal Nature nahe, die Klimadaten aus mehr als 40 Jahren ausgewertet hat. Demnach nehmen Häufigkeit, Dauer und Intensität von globalen Dürren seit den 1980er-Jahren weltweit zu – seit 2018 sogar sprunghaft. Die Studie betont: Nicht nur fehlender Regen führt zu Trockenheit, sondern auch die Tatsache, dass die wärmere Luft mehr Wasser aufnimmt und so der Landschaft entzieht.
Der „Durst“ der Atmosphäre
Die Forschenden um Hydrologe Solomon Gebrechorkos von der Universität Oxford quantifizieren erstmals, wie stark der atmosphärische Verdunstungsbedarf Dürreperioden beeinflusst. Ihre Auswertung zeigt: Seit der Jahrtausendwende hat dieser Effekt spürbar zugenommen. Heute trägt der steigende Durst der Atmosphäre im globalen Mittel rund 40 Prozent zur Verschärfung von Dürren bei.
Der Schlüssel liegt in der wachsenden Fähigkeit der Luft, Feuchtigkeit aufzunehmen. Mit steigenden Temperaturen verdunstet mehr Wasser aus Böden, Pflanzen und Gewässern – selbst dann, wenn die jährliche Regenmenge gar nicht sinkt. Dieser Effekt macht Dürren häufiger, länger und extremer. Besonders stark betroffen waren laut Studie Regionen in Afrika, Australien sowie Teilen von Nord- und Südamerika. Auch Europa erlebt zunehmend Extremereignisse: Der Sommer 2022 gilt als der trockenste seit Beginn der Aufzeichnungen.
Globale Dürre trotz mehr Niederschlag?
Ein paradox klingendes Ergebnis der Studie: Im globalen Mittel hat die Menge der jährlichen Niederschläge sogar zugenommen. Wärmere Luft kann mehr Wasser speichern – was potenziell zu mehr Regen führt. Dennoch kommt es zu einer Austrocknung der Böden. Die Erklärung: Die Atmosphäre wird durch die Erwärmung „durstiger“ und entzieht der Oberfläche mehr Wasser, als durch Niederschläge zurückgeführt wird.
Die Wissenschaftler nutzten für ihre Untersuchung kombinierte Daten aus Satellitenbeobachtungen, Wetterstationen und Klimamodellen. Daraus ermittelten sie einen Index für den atmosphärischen Verdunstungsbedarf – also die Menge an Wasser, die die Luft unter aktuellen Bedingungen theoretisch aufnehmen könnte. Dieser Index ist ein Frühindikator für Dürregefahr.
Folgen für Landwirtschaft, Wasserwirtschaft und Cleantech
Wenn der atmosphärische Verdunstungsdruck steigt, verändern sich die Anforderungen an die Wasserbewirtschaftung grundlegend. In der Landwirtschaft werden Technologien wie Tröpfchenbewässerung, Bodenfeuchtesensorik, Agroforstsysteme oder trockenresistente Nutzpflanzen wichtiger. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Frühwarnsystemen, satellitengestützter Risikoanalyse und angepassten Versicherungslösungen.
Auch in Städten stellt sich die Frage, wie mit zunehmender Trockenheit umgegangen werden kann. Schwammstadt-Konzepte, Regenwasserspeicherung, Entsiegelung und digitale Wassersteuerung gewinnen an Bedeutung. Cleantech-Unternehmen können hier mit Innovationen in Wasserrecycling, urbaner Begrünung oder effizientem Infrastrukturbau punkten.
Beispiele:
- blueplanet (D): Wasseraufbereitung mit IoT-Steuerung
- Hydrogrid (AT): intelligente Wasserkraftsteuerung
- Pessl Instruments (AT): agrarische Klimadaten-Plattformen
- Satellitenlösungen von ESA/Copernicus oder Startups wie Climavision
Unsicherheiten und Forschungslücken
Klimaforscher:innen wie Jakob Zscheischler (UFZ Leipzig) oder Sonia Seneviratne (ETH Zürich) begrüßen die Studie als wichtigen Beitrag, weisen aber auf methodische Grenzen hin. Denn die Messgröße bezieht sich auf den theoretischen Wasserbedarf der Atmosphäre – nicht auf die tatsächlich gemessene Bodenfeuchte. In Regionen mit ausgetrockneten Böden kann der Durst der Atmosphäre faktisch nicht mehr gedeckt werden. Das könnte dazu führen, dass die Austrocknung im Modell überschätzt wird.
Trotzdem liefert die Studie eine robuste Grundlage für künftige Klimaanpassungsstrategien. Denn sie zeigt, dass der Blick allein auf Niederschlag und Temperatur nicht ausreicht, um Dürrerisiken zu verstehen.
Was folgt daraus?
Die Analyse legt nahe, dass der globale Wasserkreislauf im Klimawandel nicht nur intensiver, sondern auch instabiler wird. Während Flutereignisse lokal zunehmen, nimmt gleichzeitig die Fähigkeit der Landmassen ab, Wasser zu halten. Die Folge: häufiger Dürre, sinkende Grundwasserstände, gefährdete Ernten und angespannte Versorgungslagen – insbesondere in Regionen mit schwacher Infrastruktur.
Für Politik und Planung heißt das: Klimaanpassung muss integraler Bestandteil jeder Zukunftsstrategie werden. Neben CO₂-Reduktion braucht es konkrete Investitionen in Resilienz – und zwar weltweit.
Kontext & Quellen
- Nature-Studie: Warming accelerates global drought severity
- Süddeutsche Zeitung: „Kontinente trocknen aus“

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.
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