
NOX rollt an: Wie ein Berliner Startup den Nachtzug neu erfindet
Ab 2027 will NOX Nachtzüge auf mehr als 35 europäischen Strecken anbieten – als klimafreundliche Alternative zum Kurzstreckenflug.
Die Nacht zum Reisen nutzen und morgens entspannt im Zentrum einer europäischen Metropole ankommen – ohne Sicherheitskontrolle, Jetlag oder schlechtes Gewissen. Das Berliner Cleantech-Startup NOX verspricht ab 2027 nicht weniger als die Renaissance des Nachtzugs – und will dabei vor allem Kurzstreckenflüge verdrängen. Was steckt hinter dem Konzept privater Schlafkabinen, und hat es das Potenzial, Europas Mobilität zu verändern?
Gleichzeitig mischt mit Flix ein weiterer privater Anbieter den europäischen Bahnmarkt auf. Das Münchner Unternehmen – Mutter von FlixTrain und FlixBus – hat kürzlich für bis zu 2,4 Milliarden Euro ganze 65 Hochgeschwindigkeitszüge bestellt. Doch neue Player und mehr Züge allein reichen nicht: Die Schiene bleibt ein Nadelöhr.
Ob das Netz – auch mit Deutschlandticket – für mehr Wettbewerb überhaupt bereit ist, bleibt offen. Trassenvergabe, Digitalisierung und die vorrangige Nutzung durch Güterzüge sind zentrale Baustellen der europäischen Bahnpolitik.
Technologie: NOX will den Komfort heutiger Nachtzüge neu denken: Statt Großabteil und Gemeinschaftsdusche setzt das Unternehmen auf durchdachte Mini-Suiten, in denen Privatsphäre, Schlafqualität und Funktionalität im Vordergrund stehen.

Jede Kabine – gleich ob Einzel, Doppel oder mit Panoramafenster – soll mit eigenem Bad, Stauraum, Schreibtisch und WLAN ausgestattet sein. Der Clou: Das platzoptimierte Design ermöglicht es, mehr Reisende unterzubringen, ohne Abstriche beim Komfort.
Die Kabinen sind so konzipiert, dass sie sich platzsparend „stapeln“ lassen, ohne den Komfort einzuschränken. Damit will das Unternehmen mehr Reisende pro Zug befördern als herkömmliche Nachtzüge.
Anwendung: Geplant sind mehr als 35 Strecken in ganz Europa, darunter populäre City-Pairs wie Berlin–Paris, Wien–Barcelona oder Hamburg–Rom. Das modulare Design soll eine einfache Skalierung ermöglichen, erste Testfahrten sind für 2026 vorgesehen. NOX will dabei gezielt auf stark frequentierte Kurzstrecken setzen, die bisher vom Luftverkehr dominiert werden.
Markt: Mitgründer Janek Smalla bringt operative Erfahrung von FlixTrain und Bolt mit, an seiner Seite Bahn-Influencer Thibault Constant alias ‚Simply Railway‘. Das Ziel: Nachtzüge zu einem Massentransportmittel machen, das nicht nur für Romantiker und Bahn-Nerds attraktiv ist, sondern insbesondere für all jene, die bisher zwischen Billigflieger und Fernbus abwägten.
Unternehmen: NOX wurde 2024 in Berlin gegründet. An der Spitze steht neben Smalla auch der Bahn-Influencer Thibault Constant, bekannt als „Simply Railway“. Das Duo bringt operative und mediale Erfahrung zusammen. Erste Wagen hat das Team bereits gesichert, aktuell läuft die Feinabstimmung des Kabinendesigns. Im Herbst 2025 ist eine größere Finanzierungsrunde geplant.
Politische Einordnung: Die Pläne von NOX treffen auf ein wachsames politisches Umfeld: Die neue Bundesregierung und die EU setzen verstärkt auf nachhaltige Mobilität, doch der Schienenmarkt bleibt hochreguliert. Trassenzugänge und Slotvergaben laufen über DB Netz, was privaten Anbietern wie NOX oder FlixTrain strukturelle Hürden bereitet. Hinzu kommt der Engpass auf dem deutschen Nachtnetz, das nachts vor allem von (vorrangigen) Güterzügen genutzt wird.
Quellen & Kontext: FlixTrain hat kürzlich 65 neue Hochgeschwindigkeitszüge für 2,4 Mrd. Euro bestellt, um sein europäisches Netz auszubauen. Doch: Mehr Züge bedeuten nicht automatisch mehr Fahrten, solange die Infrastruktur nicht digitalisiert und ausgebaut wird. Laut Mobilitätsforscher Andreas Knie bleibt der Markt eng getaktet, fairer Wettbewerb fraglich.
Dennoch: Der Wunsch nach mehr Auswahl und klimafreundlicher Mobilität ist da. Eine 2025er-Studie des Wuppertal Instituts bestätigt: Nachtzüge könnten bis zu 40 Prozent der innereuropäischen Kurzflüge ersetzen – sofern Preis und Komfort stimmen. Das würde es deutlich vereinfachen, die notwendigen Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, wenngleich die Hauptaufgabe darin liegt, Interkontinentalflüge zu dekarbonisieren.
Fazit: NOX trifft den Nerv der Zeit: Steigende Klimasensibilität, Frust über Flughäfen und der Wunsch nach sinnvoll genutzter Reisezeit sprechen für das Konzept. Technisch machbar, wirtschaftlich ambitioniert und gesellschaftlich sinnvoll. Ob es gelingt, hängt am Zugang zur Schieneninfrastruktur und der Kapitaldecke.
Doch NOX könnte mehr sein als ein weiteres Zug-Startup: ein Katalysator für die Renaissance der Nachtzüge in Europa.
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Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.
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